Diskussion des Integrationsbegriffes

Definition und kritische Auseinandersetzung mit dem Begriff Integration im Kontext der Jugendarbeit in Bayern

Definition

Integration ist ein auf Gegenseitigkeit beruhender, dialogischer Aushandlungsprozess der Regeln und Haltungen des gesellschaftlichen Zusammenlebens. Gelungene Integration erkennt man daran, dass sich alle Personen und Gruppen in ihrer Vielfalt der Gesellschaft zugehörig fühlen und dort ihren gleichberechtigten Platz einnehmen. Die Gegenseitigkeit zeigt sich einerseits darin, dass Personen und Gruppen in die Lage zur Teilhabe versetzt werden. Dies kann andererseits nur gelingen, wenn Rahmenbedingungen, Strukturen und Angebote auch allen gleichberechtigt zugänglich gemacht werden (vgl. hierzu: Interkulturelle Öffnung).

Allgemeines Verständnis/Kritik

Im gängigen Verständnis bedeutet Integration, dass eine „außenstehende“ Gruppe einer Gesellschaft zugeführt und diese damit vervollständigt wird. Am Ende soll eine einheitliche Gesellschaft entstehen. Dabei wird der „außenstehende“ Teil dazu befähigt, systemkonform zu agieren. Zu Diskussionen führt dabei der Spagat zwischen individuellen Grundrechten und dem Anspruch der Konformität sowie zwischen dem Hineinnehmen von Außenstehenden und deren Ausstattung mit gleichberechtigten Teilhabemöglichkeiten. Problematisch ist zudem ebenfalls die Frage, wann die Integration abgeschlossen und/oder auch gelungen ist. Dies gestaltet sich für verschiedene Gruppen unterschiedlich.

Besonders deutlich wird die Problematik bei der Integration von Jugendlichen mit Migrationshintergrund. Viele von ihnen sind in Deutschland geboren, gehen hier zur Schule oder machen eine Ausbildung und engagieren sich ehrenamtlich. Viele von ihnen haben einen deutschen Pass. Trotzdem wird ihnen zugeschrieben, sie seien „anders“ und der Gesellschaft oder auch relevanten Teilbereichen der Gesellschaft nicht zugehörig. Durch verschiedene Maßnahmen sollen die Jugendlichen in die Lage versetzt werden, in die Gesellschaft aufgenommen zu werden. Dabei orientiert man sich an den scheinbaren Defiziten und nicht an den Kompetenzen der Jugendlichen. Das Label „anders zu sein“ werden sie mit diesem Vorgehen aber nicht los. Dass damit Stereotype von einem homogenen „wir“ gegenüber einem homogenen „ihr“ reproduziert werden, liegt in der Sache selbst. Andererseits bleibt in vielen Integrationsdebatten die Tatsache unberücksichtigt, dass „Migrationshintergrund“ nur einen Teil der Identität der Jugendlichen ausmacht, auf den sie nun reduziert werden. Das Konzept der Integration schützt weder vor Diskriminierung, Etikettierung, Ausgrenzung noch vor Anfeindung. Dies kann nur über gleichberechtigte Teilhabe und Chancengleichheit gelingen und indem Jugendliche mit Migrationshintergrund in erster Linie als selbstverständlicher Teil der Zielgruppe der Kinder und Jugendliche gesehen werden.

Auch für Kinder und Jugendliche, die neu nach Deutschland eingewandert sind, stellt sich die Frage, wie lange sie als „neu“ gelten, inwiefern sie sich erst Kompetenzen aneignen müssen, um teilhaben zu können, und ab wann sie allgemein zur Zielgruppe zählen. Der Begriff der Integration hängt eng mit dem Verständnis von Interkultureller Öffnung und Inklusion zusammen. Integration gestaltet stärker das Zusammenwirken, die Begegnung und die Kommunikation zwischen gesellschaftlichen Gruppen, während sich die Interkulturelle Öffnung stärker auf die Konzepte, Strukturen und Rahmenbedingungen bezieht. Inklusion bietet ein Verständnis von Gesellschaft, welches von vorneherein alle Gruppen als zugehörig betrachtet.

Empfehlungen für die Jugendarbeit

Jugendarbeit hat den Anspruch, alle Kinder und Jugendlichen anzusprechen, egal welche Identitätsmerkmale sie mitbringen. Somit ist Jugendarbeit herausgefordert, ihre Angebote und Strukturen zu durchleuchten, das Gespräch mit den unerreichten Zielgruppen zu suchen, Kontakte, Austausch und Begegnung zu fordern und Barrieren und Vorurteile abzubauen. Es geht folglich darum, Angebote und Strukturen zu schaffen, die gleichberechtigte Zugänge und gleichberechtigte Teilhabe garantieren. Diese müssen vermittelnd dargestellt werden, damit sich die Zielgruppe auch Wissen zu den Angeboten und Beteiligungsmöglichkeiten aneignen können. Im Gegenzug müssen sich die Anbieter Wissen über ihre Zielgruppen aneignen. Da viele Jugendliche mit Migrationshintergrund aufgrund dieses Merkmals oft Diskriminierung und Ausgrenzung erleben, brauchen sie auch einen Schutzraum, in dem sie ohne Angst vor Diskriminierung und Ausgrenzung agieren und sich für ihre Interessen einsetzen können.

Integration kann als gelungen verstanden werden, wenn die vier Dimensionen der politischen Partizipation, emotionalen Verbundenheit, sozialen Einbindung und wirtschaftlichen Sicherheit gewährleistet sind. Trotz Schwierigkeiten mit dem Begriff lässt er sich wohl nicht vermeiden, da er in der öffentlichen Debatte sowie bei Förderern und Politik sehr präsent ist. Wichtig ist dann deutlich zu machen, mit welcher Haltung man ihn benutzt, und dem Begriff eine Bedeutung im Sinne der Chancengleichheit zu verleihen. Statt von Integration bestimmter Zielgruppen zu sprechen, empfiehlt es sich, vom Erreichen bestimmter Zielgruppen zu sprechen.

Internationaler Kontext

Die Diskussion um den Integrations-Begriff wird in erster Linie in Deutschland geführt. Im internationalen Kontext spricht man eher von der „Inclusion“.

Abgrenzung Inklusion und Integration

In der öffentlichen Debatte werden die Begriffe Integration und Inklusion oft synonym für verschiedene Zielgruppen verwendet. So wird oft ganz allgemein davon ausgegangen, dass sich Integrationsmaßnahmen an Menschen mit Migrationshintergrund richten, während das Themenfeld Inklusion auf Menschen mit Behinderung bezogen wird. Dabei wird außer Acht gelassen, dass hinter diesen Begriffen unterschiedliche Gesellschaftskonzepte und Handlungsschwerpunkte stehen, die grundsätzlich für alle Zielgruppen gleich gedacht werden müssen. Integrationskonzepte gehen davon aus, dass Teile der Gesellschaft erst dazu befähigt werden müssen, sich in das Ganze einzufinden, indem ihre scheinbaren Defizite ausgeglichen werden. Das Inklusionskonzept geht hingegen davon aus, dass alle Teile der Gesellschaft bereits von Anfang an zum Ganzen gehören und sich mit ihren Kompetenzen und individuellen Stärken einbringen können. Entsprechend setzt Integration am Individuum an und gestaltet hauptsächlich Angebote zur Bildung, Kommunikation und Begegnung. Inklusion hingegen setzt in erster Linie an den Rahmenbedingungen und Strukturen zur Teilhabe in der Gesellschaft an.

Ansprechperson

Hélène Düll
Referentin für Integration und interkulturelle Jugendarbeit