Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit

Was versteht man unter gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit? Definition, Diskussion und Empfehlungen an die Jugendarbeit in Bayern

Definition

Das Konzept der „Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit“ (GMF) basiert auf einer Langzeituntersuchung zur Abwertung und Ausgrenzung von bestimmten Gruppen. Das Forschungsprojekt geht der Frage nach, wie Menschen unterschiedlicher sozialer, religiöser und ethnischer Herkunft sowie mit verschiedenen Lebensstilen in dieser Gesellschaft von der Mehrheit wahrgenommen werden und mit feindseligen Einstellungen konfrontiert sind.

Ausgangspunkt der Untersuchungen ist die Frage, was die wesentlichen Merkmale der Abwertung von Menschen sind, die als „anders“, „fremd“ oder „nicht zugehörig“ wahrgenommen werden, und die in Rassismus und Vorurteilen zum Ausdruck kommen.

Allgemeines Verständnis/Kritik

Verbindende Charakteristik der unterschiedlichen GMF Elemente ist die generelle Ideologie der Ungleichwertigkeit. Die dabei untersuchten Elemente sind – je nach Studie – leicht variierend:

Fremdenfeindlichkeit, (klassischer) Rassismus, Antisemitismus, Abwertung von Sinti und Roma, Islamfeindlichkeit, Sexismus, die Abwertung von homosexuellen, behinderten, obdachlosen und langzeitarbeitslosen Menschen sowie die Berufung auf Etabliertenvorrechte. Die Neigung, Vorurteile gegenüber einer Gruppe zu haben, korrespondiert mit einer hohen Wahrscheinlichkeit mit der Neigung, auch Vorurteile gegenüber einer oder mehreren anderen Gruppen zu haben (z. B. enger Zusammenhang zwischen Antisemitismus und Islamfeindlichkeit). Aufgrund der Annahme, dass Vorurteile gegenüber bestimmen Gruppen so eng miteinander verbunden sind, dass sie ein Syndrom bilden, wird von einem Syndromansatz gesprochen. Die Funktion der dabei konstruierten und vorgebrachten Vorurteile ist es, Menschen aufgrund äußerer Zuschreibungen zu kategorisieren und dadurch eine scheinbare Legitimation der Ungleichwertigkeit zu schaffen. Dadurch kommt es zur Aufrechterhaltung einer sozialen Hierarchie zwischen Gruppen, deren Ursache vor allem in der Selbstaufwertung der eigenen Gruppe gegenüber einer als „fremd“ definierten anderen Gruppe (Outgroup) liegt. Auch hieraus leiten sich dann wieder scheinbare Rechtfertigungen für ungleiche Behandlung (Benachteiligung bzw. Bevorzugung) ab.

Empfehlungen für die Jugendarbeit

Eine mögliche Motivation für Be- und Abwertung von Menschen wird in einer fehlenden Anerkennung gesehen, die dazu fuhren kann, die eigene Anerkennung durch Abwertung anderer zu erhalten. Ein weiterer entscheidender Einflussfaktor ist die soziale Desintegration, die sich wiederum in verschiedene Ebenen einteilen lasst. Aus dem so genannten „Bielefelder Desintegrationsansatz“ lassen sich zahlreiche Anknüpfungspunkte für pro-aktive wie präventive Ansätze im Bereich der Jugendarbeit ableiten. Maßnahmen, die das Diversitätsbewusstsein schärfen und dieses positiv zu verknüpfen, sind ein wesentlicher Aspekt präventiver Praxis. Hinzu kommt der Umstand, dass durch die in der Sozialpsychologie vertretene „Kontakthypothese“ klar gezeigt werden kann, dass sich Konflikte und Vorurteile zwischen Gruppen dadurch reduzieren lassen, dass es zu Kontaktmöglichkeiten zwischen Mitgliedern unterschiedlicher „Gruppen“ kommt. Vorurteile entstehen vor allem dort, wo es wenig gemeinsame Erfahrungsräume gibt. Als Basis einer den Abbau von Vorurteilen und menschenfeindlichen Haltungen unterstützenden Jugendarbeit gilt es, diese Erfahrungsräume zu schaffen. Hierzu gehört auch eine Sensibilisierung hinsichtlich des Sprachgebrauchs. Rassismus- und diskriminierungsfreie Sprache trägt ganz wesentlich dazu bei, Vorurteilsstrukturen und abwertende Einstellungen nicht weiter zu verfestigen und ist daher ein wichtiger begleitender Faktor für pädagogische Arbeit. Zentral für die Praxis im Sinne des GMF-Ansatzes ist es, die grundsätzliche Haltung hinter Gruppenabwertungen aufzuarbeiten, anstatt nur einzelne Abwertungsphänomene in den Fokus zu stellen.

Internationaler Kontext

Neben der deutschen Langzeitstudie gibt es eine Reihe vergleichbarer Studien zum GMF-Phänomen im internationalen Vergleich. Zu nennen ist dabei in erster Linie die von Zick, Andreas/Kupper, Beate/Hovermann, Andreas herausgegebene Studie: Die Abwertung der Anderen. Eine europäische Zustandsbeschreibung zu Intoleranz, Vorurteilen und Diskriminierung. Hg. Friedrich-Ebert-Stiftung 2011. Im internationalen Kontext gibt es zudem zahlreiche vertiefende Studien zu Einzelphänomenen des Syndromansatzes, deren theoretische Grundlage jedoch ebenfalls das GMF-Modell darstellt.

Ein Ansatz, der im internationalen Kontext im Bezug zu GMF gesehen werden kann, ist der Begriff des „Othering“. Dieser bezieht sich in vergleichbarer Weise auf die Praxis einer Aus- und Abgrenzung verschiedener Personen oder Gruppen anhand unterschiedlicher Merkmale, wie Aussehen, Herkunft, Religionszugehörigkeit, aber auch z. B. die soziale Stellung. Mit der Hervorhebung der eigenen Merkmale und der damit einhergehende Abgrenzung geht häufig eine Abwertung anderer Personen einher.

Ansprechperson

Hélène Düll
Referentin für Integration und interkulturelle Jugendarbeit