DIVERSITÄT UND VIELFALT IN DER JUGEND(VERBANDS)ARBEIT
Diversität: ein weites Feld an Möglichkeiten, Hoffnungen und Herausforderungen. Alle reden darüber, viele leben sie und einige vermissen sie. Diversität ist keine Modeerscheinung, die sich einfach einführen lässt, nur weil es auf dem Papier gut aussieht. Diversität ist ein Prozess, der Denkweisen offenbart und Verhaltensweisen in Frage stellt. Eine Entwicklung, die Mut zu Offenheit und Transparenz einfordert, um möglichst vielen jungen Menschen Zugänge zu gesellschaftlichen Ressourcen und zu Teilhabe zu ermöglichen und Benachteiligungen auszugleichen. Ein facettenreiches Thema der Jugendarbeit, Vielfalt als Selbstverständlichkeit wahrzunehmen und sensibel für Diskriminierungen zu sein
Text: Ansgar Drücker
Diversität wird im Duden mit Vielseitigkeit, Vielfalt, Vielfältigkeit oder Breite erläutert und stammt vom Lateinischen „diversitas“ ab. Vielfalt steht laut Duden für eine „Fülle von verschiedenen Arten, Formen o. Ä., in denen etwas Bestimmtes vorhanden ist, vorkommt, sich manifestiert; große Mannigfaltigkeit“. Schon der Duden macht in einem Beispiel für die Verwendung des Wortes deutlich, dass Vielfalt auch fordernd sein kann: „... eine erstaunliche, bunte, verwirrende Vielfalt aufweisen“. Der Begriff Vielfalt ist jedoch meist positiv besetzt. Mögliche Gegenteile von Vielfalt sind Einheitlichkeit (Homogenität), Einfalt, Eintönigkeit oder Einfachheit.
Vor allem in der Wirtschaft wird der englische Begriff Diversity verwendet. Er steht ebenfalls für Vielfalt und Verschiedenheit. Häufig wird dort auch von Managing Diversity oder Diversity Management gesprochen: Die Vielfalt und Verschiedenheit der Mitarbeiter_innen, ihre Fähigkeiten und Sprachkenntnisse sollen anerkannt, bewusst gefördert und als Vorteil für das Unternehmen genutzt werden.
ALLES GANZ NORMAL - NORMAL IST ANDERS
Grenzt man die Begriffe Vielfalt und Diversität voneinander ab, beschreibt Vielfalt stärker das Nebeneinander oder die Gleichzeitigkeit verschiedener Differenzlinien wie Herkunft und Geschlecht. In einer vielfältigen Gesellschaft leben verschiedene Gruppen, Menschen haben verschiedene Identitäten und es gibt nicht die eine Normalität, die für alle gilt. Menschen unterscheiden sich in ihren Lebensstilen, Gewohnheiten, Interessen, Meinungen und Verhaltensweisen.
Der Begriff Diversität betont hingegen die gesellschaftlichen Folgen, die bestimmte Merkmale und tatsächliche oder vermeintliche Zugehörigkeiten für Menschen haben. Die verschiedenen Gruppen in einer Gesellschaft stehen nicht gleichberechtigt nebeneinander. Denn mit bestimmten Merkmalen und Zugehörigkeiten sind Privilegien und Diskriminierungen, Zugänge zu Ressourcen – wie z.B. Bildung oder Anerkennung – und Ausschlüsse davon sowie mehr oder weniger Macht verbunden. Der Begriff Diversität berücksichtigt also auch ausdrücklich gesellschaftliche Machtverhältnisse.
Auch mit einem positiven Begriff wie Vielfalt können aber Zuschreibungen verbunden sein, die Menschen auf ihre vermeintliche „Andersheit“ festlegen und möglicherweise von einer Normalität ausgehen, die nicht von vornherein als selbstverständlich vielfältig gedacht wird. Das wirft Fragen auf!
- Wann beginnt Vielfalt?
- Kann es eine nicht vielfältige Gesellschaft geben?
- Wird das Sprechen über Vielfalt der gesellschaftlichen Realität gerecht?
- Wem nützt die Diskussion über Vielfalt und auf wessen Kosten werden Debatten über Vielfalt geführt?
- Wer wird markiert, wenn über Vielfalt gesprochen wird?
- Welche Vielfältigkeit ist erwünscht und welche nicht?
In einer Gesellschaft, die sich von vornherein als vielfältig beschreibt, einen Blick für die Diversität von Menschen entwickelt hat und sich nicht von Schubladen leiten lässt – sie ließe sich als eine inklusive Gesellschaft bezeichnen –, verlieren Kategorien von „normal“ und „anders“ zunehmend ihre Bedeutung. An ihre Stelle treten der gleichberechtigte Dialog und Aushandlungsprozesse auf Augenhöhe. Sie haben das Ziel, allen den gleichen Zugang zu gesellschaftlichen Ressourcen zu ermöglichen und die Teilung der Gesellschaft in Macht und Nicht-Macht, Chancen und Nicht-Chancen zu überwinden.