Es war ein Schlag ins Gesicht: Bei der Abstimmung über den Verbleib Großbritanniens in der EU haben die Alten der jungen Generation ihre Meinung diktiert. Von den unter 25-Jährigen stimmten 71 Prozent für den Verbleib in der EU. Im krassen Gegensatz dazu stimmten die Alten über 65 Jahre zu 64 Prozent für den Austritt.
VON ALTEN ÜBERSTIMMT
Anders als in vielen Medien berichtet, war die Wahlbeteiligung der Jungen beim Brexit-Votum übrigens nur leicht unterdurchschnittlich: Knapp zwei Drittel der 18- bis 24-Jährigen beteiligten sich bei der Abstimmung. Aber selbst wenn 100 Prozent ihre Stimme abgegeben hätten, wäre das Ergebnis unverändert geblieben. Gegen die Übermacht der Alten kommen die wenigen Jungen einfach nicht an.
Konflikte zwischen Alt und Jung gibt es, seit es Menschen gibt. Das historische Unikum aber ist, dass die Alten heute so viele sind wie nie zuvor. In den westlichen Ländern ist ungefähr jeder dritte Wähler schon jetzt über 60 Jahre, und in einer Demokratie übersetzt sich Masse in Macht. Wenn das Wahlvolk älter wird, dann geht das an der Politik nicht spurlos vorüber.
ÄLTESTE BEVÖLKERUNG EUROPAS
Der Brexit ist nicht der erste Fall von Alte-Säcke-Politik. Nehmen wir 2015 das Referendum in Irland über die Ehe für alle. Dort stimmten rund 90 Prozent der 18- bis 24-Jährigen für die Ehe für alle, aber nicht einmal die Hälfte der Generation 65 plus. Die Jungen konnten sich dennoch durchsetzen, weil Irland die jüngste Bevölkerung Europas hat mit einem Medianalter von 36,0 Jahren. Deutschland hingegen hat mit einem Medianalter von 45,6 Jahren die älteste Bevölkerung Europas.
Bei einer Mitgliederbefragung des CDU-Landesverbands Berlin im Jahr 2015 stimmten zwei Drittel der CDU- Mitglieder über 65 gegen die Ehe für alle aber zwei Drittel der unter 30-Jährigen dafür. Die Jungen wollten eine andere Politik, aber die Alten waren in der Überzahl.
ANDERE WELTANSCHAUUNGEN
Die Alten sind in ihrer großen Mehrheit weniger liberal, weniger tolerant und weniger weltoffen. Zwei Drittel der Älteren glauben, der Islam sei eine Bedrohung und passe nicht in die westliche Welt. Ganz anders sehen das die Jüngeren.
Auch bei anderen Fragen gibt es handfeste Konflikte zwischen den Generationen, wo Werte und Weltanschauungen oder auch ökonomische Interessen zur Verhandlung stehen. Eine ganze Reihe an Volksabstimmungen, beispielsweise über öffentliche Kinderbetreuung in der Schweiz oder über die Abschaffung der Wehrpflicht in Österreich, scheiterte am Veto der Alten.
KEIN WAHLKAMPFTHEMA
In der politischen Aufmerksamkeit kommen junge Menschen nur als Problemschüler oder Handysüchtige vor. Es hängt ihnen immer etwas Defizitäres an. Im sich ankündigenden Bundestagswahlkampf kristallisiert sich wieder einmal die Rente als eines der zentralen Themen heraus. Kinderarmut war noch nie Wahlkampfthema. Es gibt Talkshows zu Altersarmut, aber nicht zu Kinderarmut. Laut einer Analyse der wichtigen Talkshows, die der SPD-Bundestagsabgeordnete Marco Bülow kürzlich vorgelegt hat, wird regelmäßig über Renten und Altersarmut diskutiert. Über Kinder und Kinderarmut wurde dagegen gar nicht diskutiert. Die Kinderarmut ist gestiegen, während die Armut insgesamt sank. Und der letzte Armutsbericht der Bundesregierung macht wenig Hoffnung auf Besserung.