Jugendarbeit bietet in der Kooperation mit Schule das Potenzial unterschiedlicher Lern- und Lebenswelten. Viele thematische Bereiche, die heutige Bedarfe insbesondere im Bereich Medienkompetenz, kulturelle Bildung, Demokratiebildung, Bewegung und Gesundheit sowie viele andere Felder aufgreifen, bereichern das Bildungsangebot in Schulkontexten. Das ist unbestritten und schon längst Realität.
TEXT Dr. Regina Münderlein
Umsetzen kann der Akteur Jugendarbeit das jedoch nur unter bestimmten politischen, materiellen und organisatorischen Voraussetzungen – und mit dem Wissen um die wenig thematisierte innere interaktive Kooperationslogik. Eine rein programmatische Ausrichtung auf eine grundsätzlich positive Wirkung von Kooperation ist heute sicher fraglich und führt(e) zu vielen misslingenden Versuchen. Denn die institutionelle Verflechtung zwischen Schule und Jugendarbeit – insbesondere in Ganztagsschulen – unterliegt starken Struktur- und Kulturunterschieden, die auch von engagierten Einzelindividuen ohne weiterführendes Know-how nicht ausgeglichen werden können. Die historische Zuordnung von Aufgaben und Funktionen (im schulischen Bereich Allokation, Qualifi kation und Selektion, im Bereich der Jugendarbeit Integration und subjektorientierte Förderung), die verschiedenen Ausbildungswege und daraus resultierenden Statusunterschiede erzeugen hierarchische Spannungsfelder und viel Potenzial für Missverständnisse. Es muss anerkannt werden, dass „die Steuerung der Kooperation zwischen Schule und externen Partnern … eine komplexe Aufgabe [ist], die viele Schulen (zum Teil auch Partner) im Zuge des Ganztagschulausbaus erst erlenen müssen“ (Arnoldt 2011, S. 328).
Mitten im Spannungsfeld
Wenn wir unseren Blick aber der Basis des Kooperationshandelns zuwenden, nämlich den Bemühungen um den jungen Menschen und die Mikrointeraktion der Pädagog_innen zu diesem Zweck, lässt sich ein neuer Zugang zum Verständnis für gelingende Kooperationssettings entwickeln.
Thomas Rauschenbach (2009, S. 176) hat diese Kernidee mit einem etwas sperrigen, aber treffenden Begriff umschrieben: Der junge Mensch müsse (auch) im formalen und verpflichtenden Schulkontext ein „folgenabhängiges Gefühl“ zum eigenen Handeln entwickeln dürfen. Die Forschungsergebnisse meiner eigenen theoriegenerierenden qualitativen Studie zur Schulkooperation (Münderlein 2013) bezeichnen dies als „Primat des Erfolgserlebens“. Was ist damit gemeint?
Es ist keine neue Erkenntnis der Pädagogik, dass junge Menschen gesehen werden wollen, auch und insbesondere in ihrem lebensweltlichen Bezug. Sie wollen ihr Können beweisen und sich in die Unabhängigkeit hinein entwickeln. So beschneidet, wenn man ehrlich ist, ein ganztägiger Aufenthalt im Schulraum diese jugendalterspezifischen, überindividuellen Entwicklungserfordernisse von Haus aus, insbesondere für Jugendliche der Sekundarstufe I. Wie wir aus empirischen Studien wissen, möchten sich „ältere“ Jugendliche (die klassische Zielgruppe der Jugendarbeit) zunehmend ohne erzieherische Kontrolle bewegen, sie fordern zu Recht stärkeren Einbezug durch partizipative Grundhaltungen und legen natürlich Wert auf das, was die Ganztagsschule außerhalb des Unterrichts bietet.
Reflektierung und Haltung ermöglichen
Die entwicklungsbedingten Kernherausforderungen des Jugendalters bewegen sich, wie das der aktuelle Jugendbericht treffend beschreibt, im Spannungsfeld von Qualifizierung, Verselbstständigung und Selbstpositionierung (BMFSFJ 2017). Das Ziel muss es folglich sein, im Kooperationssetting nicht nur ein Mehr an Wissen zu festigen (BMFSFJ 2017), sondern eine breite Handlungsbasis für mögliche weitere lebensbestimmende Entscheidungen zu erlangen. Darin lässt sich auch der Weg zur wirklichen Beteiligung und Partizipation in Schulen einbetten.
Die Kernbotschaft heißt nun, dass Schüler_innen in den verschiedenen Bildungsangeboten im Kooperationssetting kontinuierlich die Gelegenheit bekommen müssen, den Erfolg ihres eigenen Handelns sehen und prüfen zu können. Es bedeutet ebenfalls, dass Jugendliche auch im Schulgebäude fühlen und wahrnehmen sollten, dass ihr Handeln für sie, für die Gruppe und für die Gesellschaft Relevanz hat, eben ein „folgenabhängiges Gefühl“. Dazu muss das Kooperationshandeln alle relevanten Bereiche detailliert analysieren und steuern.
Eine auf diesen Gedanken aufbauende Konzeption könnte eine jugendgerechte, „sozialpädagogisch inspirierte Schulentwicklung“ (BMFSFJ 2017, S. 359) anstoßen. Dies ist wiederum nur eine andere Umschreibung der beabsichtigten Verflechtung, Steuerung und Wertschätzung formaler und non-formaler Bildungssettings und umfasst damit alle drei Entwicklungsbereiche – Selbstpositionierung, Verselbstständigung und Qualifikation – in einem jugendgerechten Verhältnis. Eine so verstandene Kooperation wäre im humanistisch-historischen Sinne bildend ausgerichtet – und weit entfernt von einem funktional-kompensatorischen Feuerwehreinsatz von Jugendarbeit oder Jugendhilfe in sozial „brennenden“ Schulen (BMFSFJ 2017, S. 359). Die heutige kompetenzorientierte Leistungsmessung könnte ein wichtiges Instrument dafür bilden.
Für ein Stück mehr Lebenswelt
Professionelle und auch ehrenamtliche Jugendarbeit kann genau hier in Kooperationssettings ansetzen. Sie kann mit ihrem methodischen und inhaltlichen Handwerkszeug erfolgreiche biografische (Erfolgs)Erlebnisse initiieren, die es jungen Menschen ermöglicht, die Bedeutung des eigenen Handelns für die eigene individuelle und gesellschaftliche Zukunft zu erfahren.
Die handlungsleitenden pädagogischen Kernfragen für eine erfolgreiche Kooperation wären folglich: Wie kann das Erleben von Bedeutsamkeit, von eigener Rolle, von „folgenreichem Handeln“ für den jungen Menschen im Gesamtangebot gesichert werden? Welche Tätigkeits- und Lernangebote ermöglichen die Empfindung wertgeschätzten Erfolgs des eignen Denkens, Tun und Handelns?
Und nicht zuletzt wären Fragen in Bezug auf die Steuerung von Kooperation zwischen allen Akteur_innen weiterführend: Wie nutzen wir langfristig unsere Jugendeinrichtung? Gilt sie der Zusammenarbeit mit Schule? Oder ist die Entscheidung nur eine Reaktion auf die aktuelle Instabilität und den sich anbahnenden demografischen Wandel? Ist die additive Kooperation erfolgsversprechend? Welche Angebote in Schule verbessern unser fachliches Profil? Und wie lässt sich das Angebot günstig mit dem Sozialraum verflechten?
Zusammenfassend lässt sich festhalten: Die Potenziale von Jugendarbeit können nur durch ein erfolgsorientiertes Handeln sichtbar werden. Dies baut auf hoher Methoden- und Inhaltskompetenz und der Analyse der jeweiligen Situation und Kräfte des Institutionenverhältnisses auf. Die Zugänge werden daher immer individuell ausgearbeitet werden müssen, da sie sich aus der inneren Logik des Erfolgserlebens der beteiligten Akteur_innen ergeben. Gelingt dies, kann Jugendarbeit in der Schule bildend und gestaltend einwirken und durch ihr Know-how ein Stück mehr Jugendgerechtigkeit und Lebensweltorientierung verwirklichen.