Interview mit der Bayerischen Sozial- und Jugendministerin Ulrike Scharf zur Teilhabe junger Menschen und zur Rolle der Jugendarbeit
Ulrike Scharf ist Bayerische Staatsministerin für Familie, Arbeit und Soziales. In dieser Funktion ist sie als Jugendministerin die wichtigste politische Ansprechpartnerin und engagierte Fürsprecherin für die Belange junger Menschen in Bayern. Ihr Anliegen: Junge Menschen sollen gehört werden, sich einbringen können, Ideen verwirklichen und Selbstwirksamkeit erfahren.
Interview von Michael Kniess
Interview mit Ulrike Scharf
Frau Scharf, was reizt Sie insbesondere an Ihrer Aufgabe als Jugendministerin in Bayern?
Für mich ist es eine der edelsten Aufgaben, die Belange der jungen Menschen in Bayern in den Mittelpunkt zu rücken, ihre Sorgen und Bedürfnisse ernst zu nehmen und darauf zu achten, dass sie sich aktiv an unserer Gesellschaft und an unserer Demokratie beteiligen können. Es ist mir ein Herzensanliegen, junge Menschen bestmöglich auf die Zukunft vorzubereiten und alles zu tun, damit sie gesund, friedlich und in einer starken Gemeinschaft aufwachsen können."
Wie sind Sie selbst in jungen Jahren in Berührung mit Jugendarbeit gekommen?
Das begann bei mir während der Schulzeit. Ich war Klassen- und Schülersprecherin. Schon damals fand ich es wichtig, die Schulgemeinschaft mitzugestalten. Später, als langjährige Vorsitzende der Wasserwacht Bayern, spielte die Jugendarbeit für mich stets eine große Rolle. Es war und ist mir immer noch eine Freude zu sehen, wie dadurch Miteinander, Selbstbewusstsein und Verantwortungsbewusstsein gestärkt werden können.
Was nehmen Sie mit aus diesen Erfahrungen, wie hat Sie die Jugendarbeit in Ihrem Leben geprägt?
Das Entscheidende ist meiner Ansicht nach, dass man lernt, sich gegenseitig zuzuhören, unterschiedliche Ansichten zu respektieren, zu diskutieren und gemeinsam um die besten Lösungen zu ringen. Dieser zutiefst demokratische Prozess wird gerade in der Jugendarbeit wunderbar gelebt.
Welche Schwerpunkte wollen Sie mit Blick auf die Belange von jungen Menschen in Bayern in dieser Legislaturperiode setzen, welche Themen vorwiegend vorantreiben?
Ein wesentliches Thema, das unumgänglich ist und das wir unbedingt weiter fördern müssen, ist die Demokratie-Bildung. Wir leben in einer Zeit, in der sich leider viele Menschen gegen unsere Demokratie stellen und immer wieder Angriffe auf sie stattfinden. Deshalb ist mir die Demokratie-Bildung ein ganz wichtiges Anliegen. Wir müssen an Formaten wie dem „Bayerischen Tag der Jugend in Europa“, den der BJR in Kooperation mit der Vertretung des Freistaats Bayern in Brüssel organisiert, unseren „Bayerischen Jugendpolitiktagen“ oder den „Zukunftsdialogen“, die in Kooperation mit dem JFF – Institut für Medienpädagogik stattfinden, festhalten und daran anknüpfend immer wieder Neues auf den Weg bringen. Was ich ebenfalls sehr ernst nehme, ist die Stärkung der Beteiligung von jungen Menschen. Entsprechende öffentliche Plattformen für Jugendanliegen zu schaffen ist aus meiner Sicht Schwerpunkt und Aufgabe für Politik und Jugendarbeit. Unser „Bayerischer Aktionsplan Jugend“ leistet in dieser Hinsicht viel. In den Haushaltsverhandlungen habe ich großen Wert daraufgelegt, dass bei den Mitteln, die wir für junge Menschen einsetzen, nicht gekürzt wird. Im letzten Jahr ging es dabei um 38,5 Millionen Euro. Jeder Cent davon ist richtig angelegt.
Sie haben die Stichworte Demokratie- Bildung und Jugendbeteiligung genannt. Beim BJR ist seit Oktober 2023 die neue bayernweite Fach- und Servicestelle für Kinder- und Jugendbeteiligung angesiedelt. Was erhoffen Sie sich von diesem zentralen Anlaufpunkt, wenn es darum geht, die Teilhabe junger Menschen in einer zukunftsfähigen Demokratie nachhaltig zu fördern?
Wir müssen das zentrale Anliegen des Projekts in den Mittelpunkt rücken: durch Beratung, Qualifizierung, Einbindung und finanzielle Förderung die Kompetenzen im Bereich der Kinder- und Jugendbeteiligung in Bayern zu betonen, zu vernetzen und zu fördern. Für alle, die sich für mehr Beteiligung von jungen Menschen in Bayern engagieren, egal ob haupt- oder ehrenamtlich, egal ob als kommunale Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger oder in Jugendvertretungen, ist es ganz wichtig, dass sie dabei begleitet werden. Durch diese Verzahnung kann das Recht der Jugend auf Beteiligung nachhaltig gestärkt werden. Es muss unser Ziel sein, dass jungen Menschen auf diese Weise weiter Gehör verschafft wird und sie noch aktiver an Entscheidungen, die sie selbst betreffen, auch beteiligt werden.
Wie stellen Sie sich die ideale Kommune vor, in der echte Partizipation für junge Menschen in Bayern erlebbar wird?
Es geht immer darum zu sehen: Wo sind große Herausforderungen für junge Menschen? Wie geht es ihnen? Was fühlen sie? Was bewegt sie? Was treibt sie an? Was brauchen sie? So sind noch immer die Auswirkungen der Corona-Pandemie etwas, mit denen viele junge Menschen zu kämpfen haben. Hier ist die Jugendarbeit sicher nach wie vor gefragt. Dasselbe gilt für die Digitalisierung. Es ist bekannt, dass vor allem junge Menschen sehr viel Zeit online verbringen. Daran gilt es, die Jugendarbeit, aber auch politische Entscheidungen auszurichten. Wir müssen uns immer fragen, wie wir junge Menschen noch besser unterstützen können. Dafür ist beispielsweise wichtig zu wissen, wo sie unterwegs sind. Ein gelungenes Beispiel dafür ist das erfolgreiche Projekt „Digital Streetwork Bayern“, das mir sehr am Herzen liegt. Noch vor ein paar Jahren wäre Streetwork im Digitalen nicht denkbar gewesen. Ich bin auch in dieser Hinsicht sehr froh, dass der BJR beim Thema Demokratie-Bildung einen Schwerpunkt setzt. Denn die jüngsten Ergebnisse der U18- Wahlen, bei denen die AfD ihr Ergebnis im Vergleich zur vergangenen U18-Wahl im Jahr 2018 fast verdoppeln konnte, hat uns vor Augen geführt, dass es auch unter jungen Menschen einen Rechtsruck gibt.
Welche Rückschlüsse in puncto Demokratie-Bildung in Bayern müssen wir daraus ziehen?
Junge Menschen entwickeln sich in ihrem sozialen Umfeld – darunter ihre Eltern, Gleichaltrige, die Schule, aber eben auch die sozialen Medien. Wir wissen, welch großen Einfluss diese haben und dass sie für viele die Informationsgrundlage sind. Da müssen wir definitiv aktiv werden und vor allen Dingen die Jugendlichen dazu befähigen, dass sie differenzieren und lernen können, was Wahrheit ist und was Fake News sind. Hier sind wir alle gefordert, eine starke und flächendeckende Präventionsarbeit zu leisten.