DER BEDARF NACH BEHANDLUNGEN WÄCHST
Neben der Zunahme psychischer Auffälligkeiten verzeichnen Studien mehr behandlungsbedürftige psychische Störungen bei jungen Menschen im Vergleich zu der Zeit vor der Pandemie. So weist zum Beispiel eine umfassende internationale Metastudie eine erhöhte Rate von Angststörungen und Depression nach, wobei der Anstieg bei jüngeren Altersgruppen sowie bei Mädchen und Frauen besonders stark ausgeprägt ist (COVID-19 Mental Disorders Collaborators 2021).
Die Ergebnisse spiegeln sich auch in Daten aus Deutschland wider, die beispielsweise zur Zunahme von depressiven Störungen bei Kindern und Jugendlichen erhoben wurden (Witte et al. 2021). Zudem decken sich die Daten mit Berichten von niedergelassenen Therapeut:innen sowie kinder- und jugendpsychiatrischen Kliniken – eingeschlossen der Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie der LMU München –, die von einem deutlich gestiegenen und sehr dringlichen Bedarf nach Behandlungsplätzen einerseits und langen Wartelisten andererseits berichten. Kinder und Jugendliche, die bereits vor der Pandemie belastet waren und so über weniger Ressourcen verfügen, den andauernden Herausforderungen in der Krise zu begegnen, sind von den psychischen Auswirkungen besonders in Mitleidenschaft gezogen.
DAS INFOPORTAL „CORONA UND DU“
Angesichts der vielfältigen negativen Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen besteht seit Beginn der Krise dringender Handlungsbedarf, Ressourcen zu stärken, psychischen Folgen der Pandemie vorzubeugen und psychisch belasteten Kindern und Jugendlichen Handlungsmöglichkeiten aufzuzeigen sowie Unterstützung zu bieten. Ein Weg, diesen Bedarf zu adressieren, ist die Bereitstellung evidenzbasierter und einfach zugänglicher Informationen zum Umgang mit den alltäglichen Herausforderungen und den psychischen Belastungen während der Pandemie. Aus diesem Grund hat das Team der Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie gemeinsam mit der Beisheim Stiftung bereits im Mai 2020 das webbasierte Informationsportal „Corona und Du“ (www.corona-und-du.info) bereitgestellt. Dieses Portal klärt Kinder und Jugendliche in leicht verständlicher Sprache über die psychischen Belastungen durch die Pandemie auf und enthält evidenzbasierte Informationen, wie sie der Krise psychisch gestärkt begegnen können (Piechaczek et al. 2021). Das Portal hält alltagsnahe Tipps und im Corona-Alltag einfach umsetzbare Strategien zu den Themen positive Einstellung, Umgang mit Stress, gesunder Schlaf und gesunde Ernährung bereit. Zudem werden Kinder und Jugendliche über geeignete professionelle Anlaufstellen bei psychischen Problemen informiert. In einem separaten Bereich wendet sich das Portal auch an Eltern und klärt sie darüber auf, wie sie die psychische Gesundheit ihrer Kinder stärken und mit deren psychischen Problemen umgehen können. Besonderes Augenmerk wurde auf eine ansprechende Gestaltung des Portals gelegt, die zusammen mit Medienpartner:innen entwickelt wurde. Auch Kinder und Jugendliche wurden bei der Erstellung der Seite aktiv eingebunden, um ihre Perspektive und Bedarfe gut abzubilden.
Eine wissenschaftliche Evaluation des Infoportals, die bald veröffentlicht wird, zeigt, dass der Besuch der Website bei Kindern und Jugendlichen zu einem Wissenszuwachs hinsichtlich psychischer Gesundheit führt. Zudem belegen die Daten, dass die Hürde, sich bei psychischen Problemen Hilfe zu holen, nach einem Besuch der Website kleiner wird. Kinder und Jugendliche bewerteten die Gestaltung des Portals als sehr ansprechend. Diese Ergebnisse zeigen, dass zielgruppengerechte Informationsportale wie „Corona und Du“ ein effektiver und ansprechender Weg sein können, Kindern und Jugendlichen wirksame Strategien zum Umgang mit psychischer Belastung zu vermitteln und – wenn nötig – den Weg in die professionelle Behandlung zu bahnen.