Teilnehmer des Fachtages "Jugendarbeit verqueeren" halten die LGBTQ-Flagge hoch
04.11.2024

Ein Tag für Vielfalt: Fachtag und Preisverleihung stärken queersensible Jugendarbeit in Bayern

Zum Fachtag „Jugendarbeit verqueeren“ in Nürnberg kamen über 30 Fachkräfte und Ehrenamtliche zusammen, um sich über Herausforderungen, Chancen und Bedarfe queersensibler Jugendarbeit mit Wissenschaft und Politik auszutauschen. Höhepunkt war die Verleihung des Michael-Schmidpeter-Preises 2024, mit dem zum siebten Mal herausragende Projekte für eine inklusive und diskriminierungsfreie Jugendarbeit ausgezeichnet wurden

Der Bayerische Jugendring (BJR) und das Jugendnetzwerk Lambda Bayern hatten am Samstag Fachkräfte der offenen Jugendarbeit, Ehrenamtliche und Interessierte zum Fachtag „Jugendarbeit verqueeren“ ins Nürnberger Gewerkschaftshaus eingeladen. Die Veranstaltung setzte ein klares Zeichen für eine queersensible, diskriminierungsfreie und inklusive Jugendarbeit in Bayern. Philipp Seitz, BJR-Präsident, betonte: „Queersensible Jugendarbeit ist nicht nur eine Aufgabe, sondern eine Verantwortung. Unsere Vision ist eine Jugendarbeit, in der alle jungen Menschen unabhängig von ihrer Identität sicher und willkommen sind. Der Fachtag hat uns gezeigt, wieviel Potenzial in der queeren Jugendarbeit in Bayern steckt und wie wichtig es ist, diese weiter auszubauen.“

Vielfalt und Vernetzung im Fokus
Dr. Nils Klevermann von der Universität Siegen eröffnete den Fachtag mit seinem Vortrag „Meine Aufgabe ist es, den Raum zu halten“ und beleuchtete die Herausforderungen und Chancen queersensibler Jugendarbeit. Sein Beitrag regte zu Diskussionen an, wie Räume entstehen können, in denen queere Jugendliche Sicherheit und Wertschätzung erfahren. Praxisnahe Impulse lieferten Expert:innen wie Mika Taube von Lambda Mitteldeutschland und Alexander Irmisch vom LSVD+ Bayern, die ihre Ansätze zur erfolgreichen Umsetzung queerer Jugendarbeit vorstellten. Über die Arbeit von Strong! - LGBTIQ* Fachstelle gegen Diskriminierung und Gewalt informierte Leonie Lange und stellte aktuelle Statistiken für Bayern sowie die Hilfsangebote vor.

Politischer Dialog und praxisnahe Workshops
In einer lebhaften Diskussionsrunde waren sich die Abgeordneten des Bayerischen Landtags einig, die gleichberechtigte Teilhabe junger Menschen unabhängig von geschlechtlicher Identität, sexueller Orientierung oder amouröser Vielfalt in Bayern stärker zu fördern. Florian Siekmann (Bündnis 90/Die Grünen), Gabi Schmidt (Freie Wähler) und Karl Freller (CSU) betonten, dass es eine gemeinsame Aufgabe sei, die Bedarfe der queeren Community in den Blick zu nehmen und queersensible Jugendarbeit auch finanziell gut auszustatten. Mit dem Beteiligungsverfahren zum Bayerischen Aktionsplan QUEER gebe es aktuell eine Möglichkeit, die Situation für LSBTIQA*-Personen[1] in Bayern nachhaltig zu verbessern.
Darüber hinaus informierten sich die Teilnehmenden in verschiedenen Workshops zum seit dem ersten November in Kraft getretenen Selbstbestimmungsgesetz und entwickelten konkrete Strategien gegen Diskriminierung oder tauschten sich darüber aus, wie queere Jugendarbeit funktionieren kann.

QueerStart – für mehr queere Jugendgruppen in ländlichen Räumen
Besonders im Fokus stand das Projekt „QueerStart“ des Jugendnetzwerks Lambda Bayern, das queere Jugendgruppen in ganz Bayern unterstützt und ausbauen will. Mit einer einmaligen Förderung von 90.000 Euro entwickelt die Arbeitsgemeinschaft der queeren Jugendarbeit ab sofort Angebote für junge Menschen in ländlichen und städtischen Gebieten. „Dabei geht es vor allem um sichere Räume und eine starke Gemeinschaft. Wir schaffen mit ‚QueerStart‘ eine Basis, die queere Jugendliche stärkt und ihnen die Möglichkeit gibt, sich zu vernetzen, auszutauschen und eine positive Identität zu entwickeln“, erklärt Patrick Wolf, BJR-Queerbeauftragter und Geschäftsführer bei Lambda Bayern. „Das Projekt setzt auf die Expertise bestehender Jugendgruppen und kombiniert diese mit gezielter Unterstützung durch Peer-to-Peer-Berater:innen, die lokale Initiativen begleiten und neue Gruppen in der Gründungsphase fördern“, so Wolf.

Verleihung des Michael-Schmidpeter-Preises
Am Nachmittag wurden herausragende Projekte mit dem Michael-Schmidpeter-Preis geehrt. „Leider prägen Diskriminierung, Ausgrenzung und Unsicherheit immer noch den Alltag vieler. Daher sind wir dankbar für die großartige Arbeit der ausgezeichneten Projekte und freuen uns darauf, sie weiter in ihrer Entwicklung zu begleiten“, erläutert Nora Plewa, Vorstandsmitglied von Lambda Bayern. Die Auszeichnung würdigt Menschen und Initiativen, die mit großem Engagement für die Belange queerer Jugendlicher eintreten und sich dafür einsetzen, sichere Räume zu schaffen, in denen Jugendliche Akzeptanz, Verständnis und Unterstützung erfahren.

1. Platz: Sichtbarkeitsarbeit in der Oberpfalz – Equaliteens vom equality Oberpfalz e.V.
Der erste Preis ging an die Equaliteens, eine queere Jugendgruppe in Weiden, die monatliche Safe Spaces im Jugendtreff „Plan B“ organisiert. Neben regelmäßigen Treffen bietet die Gruppe individuelle Beratung, Aufklärungsarbeit in Schulen und kreative Aktionen wie eine queere Weihnachtsfeier für Jugendliche, die zu Hause nicht willkommen sind. Geplante Projekte wie ein Drag-Workshop und die Teilnahme am Seifenkistenrennen 2025 zeugen von ihrem Engagement. Die Equaliteens setzen ein Zeichen für die Akzeptanz queerer Jugendlicher, auch in Regionen, die bisher wenig Sichtbarkeit bieten.

2. Platz: Safer Space & Café Kunterbunt am Städtischen Luisengymnasium München
Der zweite Preis ging an das „Café Kunterbunt“, einen von Schüler:innen initiierten Safer Space, der im Luisengymnasium in München eingerichtet wurde. Mit Unterstützung von OSQAR e.V. und städtischen Fachstellen bietet der Raum Schutz und Gemeinschaft für Schüler:innen, die Diskriminierung erfahren. Das Café Kunterbunt ist ein Vorzeigeprojekt, das zeigt, wie Schulen aktiv einen Beitrag zur Inklusion leisten können. Es ist ein inspirierendes Beispiel dafür, wie junge Menschen und Lehrkräfte zusammenarbeiten, um einen Ort der Akzeptanz zu schaffen.

3. Platz: LGBTQ* Jugendtreffen von Vida Landsberg
Den dritten Platz belegte Vida Landsberg. Seit zwei Jahren bietet die Jugendgruppe monatlich ein Peer-to-Peer-Angebot im Jugendzentrum an, bei dem sich junge queere Menschen in einem geschützten Rahmen austauschen können. Themen wie Coming-out, Identitätsfindung und der Umgang mit Diskriminierung stehen im Mittelpunkt der Treffen. Durch kreative Freizeitaktivitäten und gemeinsame Ausflüge, beispielsweise zu Christopher-Street-Day-Veranstaltungen, wird der Zusammenhalt gestärkt und ein sicherer Raum für persönliche Entwicklung geschaffen.

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[1] LSBTIQ = lesbisch, schwul, bisexuell, trans*, inter*, queer, asexuell/aromantisch. Der Asterisk schließt alle weiteren Identitäten mit ein, die sich nicht explizit in der Abkürzung wiederfinden.

 

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Patrick Wolf
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