20.03.2021

Antimuslimischen Rassismus entschieden bekämpfen

Die Delegierten der 157. BJR-Vollversammlung nahmen die tagtäglichen Übergriffe und Drohungen auf muslimische Einrichtungen und Muslim:innen, die rassistisch motivierten Anschläge in Halle und Hanau, sowie Diskriminierungen im Alltag zum Anlass eine breite Positionierung gegen antimuslimischen Rassismus zu beschließen.

Die tagtäglichen Übergriffe und Drohungen auf muslimische Einrichtungen und Muslim:innen, die rassistisch motivierten Anschläge in Halle und Hanau, sowie Diskriminierungen im Alltag[1] verdeutlichen den Bedarf einer breiten Positionierung gegen antimuslimischen Rassismus.

Muslim:innen sind die am häufigsten von Feindseligkeit betroffene religiöse Gruppe in Deutschland[2]. Wie der aktuelle bayerische Verfassungsschutzbericht zeigt, sind dabei islamfeindliche Agitationen längst nicht mehr nur auf Rechtsextremisten beschränkt[3]. So bekommen im öffentlichen Diskurs Äußerungen, welche Muslim:innen und den Islam generalisierend abwerten, im Vergleich zu anderen vorherrschenden Feindseligkeiten eine offenere und unverhohlenere Zustimmung[4].

Diese Entwicklungen zeichnen sich auch auf muslimische und als muslimisch wahrgenommene Jugendverbände innerhalb des Bayerischen Jugendring negativ ab, welches sie unter Anderem in ihrer Jugendarbeit beeinträchtigt. „Die rassistische Normalität ist so alltäglich, dass sie vielen nicht weiter auffällt – oder aber als gerechtfertigt gilt.“[5]

Die Delegierten der 157. Vollversammlung des Bayerischen Jugendring nehmen diese Entwicklungen mit Sorge wahr und fordern deshalb:

  • Eine zentrale Antidiskriminierungsstelle in Bayern einzurichten, die die Rassismus- und Diskriminierungserfahrungen auch von Muslim:innen und als muslimisch gelesene Menschen aufnimmt und Betroffene beratend unterstützt. Viele Opfer von antimuslimischen Rassismus sehen sich im Stich gelassen.[6] Die Stelle soll die Barriere der Beschwerdemöglichkeit nehmen und eine jährliche Auswertung über die Entwicklungen des antimuslimischen Rassismus in Bayern geben.
  • Eine:n unabhängige:n Beauftrage:n gegen antimuslimischen Rassismus, Islam- und Muslimfeindlichkeit zu benennen. Es wäre ein wichtiges Signal an die Muslim:innen, dass das Thema des antimuslimischen Rassismus ernst genommen und angegangen wird. Diese wäre auch eine Schnittstelle für einen Dialog mit Muslim:innen und deren Einrichtungen auf Augenhöhe.
  • Muslim:innen und deren Einrichtungen dürfen nicht pauschal als ein Sicherheitsrisiko betrachtet werden. Diese Pauschalisierungen führen zur Resignation von jungen Muslim:innen, welches die Hürden einer gesellschaftlichen und politischen Partizipation immens erhöht. In diesem Kontext muss ein offener und vorurteilsfreier Austausch mit den gesellschaftlichen Akteuren des muslimischen Lebens in Deutschland, unter anderem auch muslimischen Jugendverbänden, gezielt gefördert werden. Auf die Sprache, die Muslim:innen generell verdächtigt muss verzichtet werden. Ein solidarisches Miteinander in einer vielfältigen Gesellschaft ist dabei essentiell - die bayerische Jugendarbeit muss hier mit gutem Beispiel vorangehen. Das Schaffen von Vertrauen durch gemeinsamen Dialog ist dabei essentiell.[7]
  • Rassismus beim Namen nennen: Im Prozess der Rassifizierung geht es um das "othering", also der "Konstruktion des Anderen". Muslim:innen werden Eigenschaften zugeschrieben, die nicht mit der Gesamtgesellschaft, in dem Fall dem "deutschsein", vereinbar sind zu einem "Anderen" gemacht. Sie und muslimisch gelesene Menschen werden generalisiert und zur Metapher des gesellschaftlichen Übels gemacht. Muslim:innen seien übersexualisiert, frauenverachtend, gewalttätig, demokratiefeindlich etc.. Der Islam wird dabei als eine homogene Kultur konstruiert, die in Opposition zu Deutschland und zu den westlichen Werten steht. Bei diesen, auf alle als Muslim:Innen gelesenen kollektiv zugeschriebenen Stereotypen handelt es sich um antimuslimischen Rassismus. Menschen, die zwar nicht muslimisch sind, aber als muslimisch gelesen werden, sind ebenfalls vom antimuslimischen Rassismus betroffen. Der Übergang von einer berechtigten Kritik zu Rassismus ist fließend geworden. Muslim:innen werden aus der Opferrolle zu Täter:innen gemacht, ihnen wird die Schuld der Feindseligkeit gegenüber Muslim:innen gegeben. Es darf nicht die Aufgabe der Opfer sein, sich gegen den Rassismus zu schützen und so vom Wohlwollen der Mehrheit abhängig zu sein.
  • Für eine differenzierte Berichterstattung in den Medien über Islam und Muslim:innen zu sensibilisieren: Muslim:innen und deren Einrichtungen werden oft in einem negativen Kontext dargestellt[8], obwohl überwiegend ein positiver Einsatz für den gesellschaftlichen Zusammenhalt herrscht und Angriffe auf Muslim:innen und deren Einrichtungen meist, wenn überhaupt, in den lokalen Medien auftauchen. Aus diesem Grund ist das Gemeinsame in den Vordergrund zu stellen: Es sind medienwirksame Aktionen/Projekte sowie Informationsprogramme, die sich positiver Narrativen bedienen, zu initiieren und gezielt zu unterstützen.
  • Verpflichtende und regelmäßige Diversitäts- und antirassistische Sensibilisierungsmaßnahmen für alle Berufsgruppen, die sozial, soziopolitisch, gesellschaftlich und biografisch einflussreich sind – insbesondere innerhalb der Sicherheitsbehörden und der Justiz, aber auch im sozialen, kulturellen, Bildungs- und Gesundheitsbereich einzuführen.

[1] vgl. https://www.bundestag.de/presse/hib/647640-647640 (Stand: 15.10.2020, 08:28 Uhr)

[2] Sechster Bericht der Europäischen Kommission gegen Rassismus und Intoleranz über Deutschland, Seite 21

[3] vgl.https://www.verfassungsschutz.bayern.de/weitere_aufgaben/islamfeindlichkeit/defi-
nition/index.html
 (Stand: 17.08.2020, 11:53 Uhr)

[4] vgl. Studie „Islamfeindlichkeit in Deutschland und Europa“ der Universität Bielefeld, Seite 5

[5] https://www.bpb.de/apuz/180854/rassismus-nicht-beim-namen-nennen?p=1 (Stand: 17.08.2020, 12:17 Uhr)

[6] vgl. https://www.deutschlandfunkkultur.de/angriffe-auf-muslime-von-behoerden-und-oeffentlichkeit.1005.de.html?dram:article_id=451980 (Stand: 17.08.2020, 11:58 Uhr)

[7] Das Bündnisprojekt Dialog für Demokratie“ des BJR kann hier als best practice Beispiel aufgeführt werden. Im Rahmen dieses Projektes haben sich muslimische und christliche Jugendverbände Bayerns gemeinsam für eine vertrauensvolle und offene Dialogkultur zwischen Jugendlichen unterschiedlicher Weltanschauungen eingesetzt.

[8] vgl. http://de.mediatenor.com/de/bibliothek/newsletter/1100/das-medienbild-zum-islam-treibt-die-angst-bedford-strohm-und-papst-franziskus-setzen-positive-aktzente-fuer-ihre-kirchen (Stand: 16.10.2020, 08:56 Uhr)

Patrick Wolf
er/ihm
Büroleiter und Queer-Beauftragter