Die Delegierten der 165. Vollversammlung beschließen die Verabschiedung von fachlichen Standards der Streetwork und Mobilen Jugendarbeit mit jungen Menschen in Bayern.
Dem Bayerischen Jugendring (BJR) als Körperschaft des öffentlichen Rechts (K.d.ö.R.) sind gemäß Art. 32 Abs. 4 Ausführungsgesetz zu den Sozialgesetzbüchern (AGSG) i.V.m. § 32 Verordnung zur Ausführung der Sozialgesetze (AVSG) für den Bereich der Jugendarbeit die Aufgaben des überörtlichen Trägers der Jugendhilfe nach § 85 Abs. 2 des Achten Sozialgesetzbuchs (SGB VIII) zur Besorgung im Auftrag des Staats übertragen.
Der BJR übernimmt damit die Aufgaben der Beratung, Koordinierung, Planung und Fortbildung für den Bereich der Jugendarbeit. Er unterstützt durch Empfehlungen und Vorschläge die Tätigkeit der Jugendämter als örtliche Träger der öffentlichen Jugendhilfe in ihrer Verantwortung für die gesamte Planungs- und Leitungsverantwortung gem. § 79 SGB VIII. In dieser Eigenschaft unterliegt der BJR der Rechts- und Fachaufsicht des Bayerischen Staatsministeriums für Familie, Arbeit und Soziales. Im Rahmen der Wahrnehmung dieser Aufgaben veröffentlicht der BJR die vorliegenden Empfehlungen nach § 85 Abs. 2 Nr. 1 SGB VIII.
Die Fachlichen Standards für das Arbeitsfeld Streetwork und Mobile Jugendarbeit wurden von Kolleg:innen der Landesarbeitsgemeinschaft Streetwork/Mobile Jugendarbeit Bayern e.V. (LAG) in Abstimmung mit dem BJR auf Basis der 2014 veröffentlichten Fachlichen Standards und den Fachlichen Standards der Bundesarbeitsgemeinschaft Streetwork/Mobile Jugendarbeit e.V. (Stand 2018) erarbeitet.
Die Landesarbeitsgemeinschaft Streetwork/Mobile Jugendarbeit Bayern e.V. (LAG) vertritt die Interessen ihrer Mitglieder und bietet ein umfangreiches Beratungs- und Unterstützungsangebot für Streetwork und Mobile Jugendarbeit durch überregionale Vernetzung. Vernetzung versteht die LAG dabei nicht nur als fachlichen Austausch, der die Qualität der Arbeit sichert und erhöht,
sondern auch als Netzwerk, das die einzelnen Kolleg:innen bei Schwierigkeiten vor Ort auffängt, berät und bei der Bewältigung der Anforderungen ihrer Arbeit unterstützt. Aktuelle Entwicklungen im Arbeitsfeld werden dokumentiert und diskutiert. Auf diese Weise wird die Sicherung und Fortschreibung der gemeinsam von LAG und BJR veröffentlichten Fachlichen Standards für Streetwork und Mobile Jugendarbeit ermöglicht. Durch die Fort- und Weiterschreibung wird ein essenzieller Beitrag zum fachpolitischen Diskurs geleistet.
Die hier gefassten Standards sind als Empfehlung für Fachkräfte im beschriebenen Arbeitsfeld und deren Träger zu verstehen. Sie sollen Fachkräfte in ihrem Handeln unterstützen und Neueinsteiger:innen an das Arbeitsfeld heranführen, begleiten und Orientierung geben. Sie bieten Praktiker:innen einen Orientierungsrahmen bezüglich ihrer Aufgaben, notwendigen Rahmenbedingungen und Handlungsleitlinien für dieses Arbeitsfeld. Sie dienen als Grundlage für professionelles Handeln und sind damit wichtiger Bestandteil der Qualitätssicherung. Öffentliche wie freie Träger und Multiplikator:innen werden bei der Schaffung notwendiger bedarfsgerechter Voraussetzungen für die Etablierung von erfolgreichen Angeboten der Streetwork und Mobilen Jugendarbeit vor Ort unterstützt. Darüber hinaus liefern sie einen umfangreichen Einblick ins Arbeitsfeld der Streetwork und Mobilen Jugendarbeit für alle Interessierten.
Streetwork und Mobile Jugendarbeit sind Tätigkeitsfelder der Sozialen Arbeit, die in ihrer Ausgestaltung unterschiedliche Zielgruppen haben können, sich jedoch in der aufsuchenden Arbeit einen. Die Aufgaben und gesetzlichen Grundlagen sind in den Büchern der Sozialgesetzgebung beschrieben. Grundlage für Professionalität des Arbeitsfeldes ist das im Grundgesetz garantierte Recht auf ein menschenwürdiges Dasein und das dort verankerte Sozialstaatsprinzip. Das Menschenbild, basierend auf den ethischen Grundsätzen der Würde und der Gleichheit aller, soll dazu beitragen, Benachteiligungen entgegenzuwirken und positive Lebensbedingungen zu schaffen.
Streetwork und Mobile Jugendarbeit finden überwiegend im öffentlichen oder halböffentlichen Raum statt. Die Mitarbeiter:innen begeben sich regelmäßig an die (in-)formellen Treffpunkte von jungen Menschen i.d.R. ab 14 Jahren, Gruppen, Cliquen oder Szenen junger Menschen, die öffentliche oder halböffentliche Plätze als regelmäßigen Aufenthaltsort und Lebensraum nutzen. Sie befinden sich dabei in einer Gastrolle in individuellen Lebenswelten ihrer Adressat:innen, die oftmals von Benachteiligung betroffen oder bedroht und von gesellschaftlicher Teilhabe ausgegrenzt sind.
Streetwork und Mobile Jugendarbeit bieten Beratung und Unterstützung im vertrauten Umfeld der Adressat:innen an. So schaffen die eingesetzten Fachkräfte einen niedrigschwelligen und lebensweltorientierten Zugang zum bestehenden Hilfesystem für junge Menschen, die häufig durch institutionalisierte Angebote der Jugend- oder Sozialhilfe nicht (mehr) erreicht werden oder erreicht werden wollen. Ebenso hat sich das Arbeitsfeld seit Jahrzehnten im Kontakt mit marginalisierten Gruppen junger Menschen, auch in gesellschaftlichen Krisenzeiten, bewährt.
In Bayern entwickelt sich seit Jahren ein vielfältiges und differenziertes Spektrum von Angeboten der Streetwork und Mobilen Jugendarbeit. Konkrete Konzepte und bedarfsgerechte Angebote werden, unter Berücksichtigung der arbeitsfeldspezifischen Standards und Arbeitsprinzipien, von den verantwortlichen öffentlichen und freien Trägern sowie den Kolleg:innen vor Ort entwickelt.
Adressat:innen von Streetwork und Mobiler Jugendarbeit sind alle jungen Menschen, i.d.R. ab 14 Jahren, für die der öffentliche oder der halböffentliche Raum einen bedeutsamen Bestandteil ihrer Lebenswelt darstellt. Insbesondere richten sich die Angebote an diejenigen, die von einrichtungszentrierten Angeboten nicht erreicht werden, diese ablehnen oder für die bedarfsgerechte Angebote fehlen. Dies sind vor allem junge Menschen, die unter anderem von Benachteiligung und Ausgrenzung betroffen oder bedroht sind. Die Zielgruppe von Streetwork und Mobiler Jugendarbeit kann sich entsprechend der unterschiedlichen rechtlichen Grundlagen und Aufträge weiter ausdifferenzieren.
Die oberste Priorität von Streetwork und Mobiler Jugendarbeit ist es, ein adäquates Kontakt-, Beratungs- und Unterstützungsangebot für die Adressat:innen zur Verfügung zu stellen. Das grundsätzliche Ziel des Arbeitsfeldes ist es, der Benachteiligung und Stigmatisierung der Zielgruppe(n) entgegen zu wirken, sie in ihrer Lebenswelt und ihrem Alltag zu unterstützen, um die allgemeinen Lebensbedingungen zu verbessern und eine soziale Teilhabe zu fördern. Die Fachkräfte setzen sich für die Erhaltung und Schaffung positiver Lebensbedingungen sowie den Abbau und die Vermeidung von Benachteiligungen und Belastungen ein.
Zur Umsetzung dieser Ziele sind Streetwork und Mobile Jugendarbeit im Sozialraum bekannt, akzeptiert und als Fachinstanz anerkannt.
Ziele des Arbeitsfeldes sind:
Das Kernelement des Arbeitsfeldes ist das Aufsuchen der Zielgruppen im öffentlichen oder halböffentlichen Raum. Streetwork und Mobile Jugendarbeit erschließt individuelle und gesellschaftliche Ressourcen und verfolgt den Grundsatz der Hilfe zur Selbsthilfe. Dabei kommen Methoden der Einzelfallhilfe sowie der Gruppen- und Gemeinwesenarbeit zur Anwendung.
Nachfolgend werden verschiedene Methoden und Arbeitsinhalte des Arbeitsfeldes differenziert dargestellt.
5.1. Aufsuchen, Kontakt- und Beziehungsarbeit
Die regelmäßige, konsequente und wiederkehrende Erkundung des Sozialraumes und der Lebenswelten der Adressat:innen ist unerlässlich für professionelles Handeln im Arbeitsfeld Streetwork und Mobile Jugendarbeit. Der damit einhergehende Erkenntnisgewinn, basierend auf beobachtend-reflektierenden Einschätzungen der Fachkräfte, ist maßgeblich für die Entwicklung von zielgruppenorientierten Angeboten und somit für alle folgenden Prozesse.
Die eingesetzten Fachkräfte haben die Aufgabe, tragfähige und vertrauensvolle Kontakte und Beziehungen zu jungen Menschen herzustellen, die sich regelmäßig im öffentlichen oder halböffentlichen Raum aufhalten. Die Mitarbeiter:innen begeben sich dafür aktiv in die Lebenswelt der Adressat:innen und nehmen dabei eine Gastrolle an Treffpunkten der Zielgruppe ein. Ziel ist es, zum einen junge Menschen zu erreichen, die sonst nicht – oder nicht mehr – für Jugend- und Sozialhilfe erreichbar sind. Zum anderen sollen junge Menschen bei der (Wieder-)Aneignung des Sozialraums begleitet und unterstützt werden. Dies erfordert Sensibilität in Bezug auf Art, Dauer und Intensität der Kontakte.
Grundlagen der Arbeitsweise sind das Initiieren und Fortführen langfristig angelegter Prozesse. Dafür erforderlich sind die regelmäßige Präsenz und eine geduldige, verlässliche Annäherung, um sich in der persönlichen Beziehung als vertrauenswürdig zu erweisen. Aus der nach dem Erstkontakt folgenden Beziehungsarbeit können weitere Aufgaben des Arbeitsfeldes entstehen.
5.2. Arbeit mit Einzelpersonen
In der Arbeit mit einzelnen jungen Menschen steht die Verbesserung der individuellen Lebenssituation der Adressat:innen im Vordergrund. Das bedeutet, gemeinsam einen Prozess zu initiieren, bei dem diese selbst das Ziel bestimmen. Ihr Alltag kann durch eine Vielzahl von Themen geprägt sein, wie beispielsweise Schule, Ausbildung, Arbeit, Gesundheit, soziales Umfeld, soziale Teilhabe, Wohnen, Kriminalisierung, Diskriminierung, Konsum, Probleme mit Ämtern und Behörden.
5.3. Arbeit mit Gruppen, Cliquen und Szenen
In der Arbeit mit Gruppen, Cliquen und Szenen junger Menschen geht es um die Unterstützung von spezifischen Bedürfnissen und Anliegen zur Verbesserung der Lebensbedingungen und des Umfeldes der Adressat:innen. Hierbei steht das Bedürfnis der gesamten Gruppe, Clique und Szene im Fokus.
5.4. Beratung, Begleitung und Unterstützung
In Form von Information, Beratung und Begleitung bietet Streetwork und Mobile Jugendarbeit unterschiedliche Hilfen zur Lebensbewältigung an. Diese reichen von reiner Überlebenshilfe über langfristige Begleitung bis hin zur Entwicklung von Lebensperspektiven. Durch die Auseinandersetzung mit dem einzelnen jungen Menschen, seinen Ressourcen und seiner individuellen Situation können gemeinsam zusätzliche Handlungsmöglichkeiten entwickelt werden. Hilfen zur Lebensgestaltung stabilisieren die Situation der Adressat:innen und ermöglichen, die alltäglichen Anforderungen besser zu bewältigen.
Die Adressat:innen der Arbeit werden dabei unterstützt, ihre Rechte geltend zu machen und gesetzliche Leistungen in Anspruch zu nehmen. Die Arbeit zielt auf eine Förderung von Selbstorganisation, sozialem Miteinander und Partizipation am Gemeinwesen ab. Bei Bedarf und mit Einverständnis der Betroffenen werden diese über spezialisierte Fachstellen informiert, in weiterführende Maßnahmen vermittelt und auf Wunsch begleitet.
5.5. Aufbau und Pflege eines institutionellen Netzwerkes
Streetwork und Mobile Jugendarbeit orientiert sich an den strukturellen und kommunikativen Möglichkeiten des Sozialraums. Bei Bedarf wird das institutionelle Netzwerk überregional erweitert. Sie erfasst und bearbeitet die Problemlagen der Adressat:innen im sozialräumlichen Kontext. Kenntnisse über und Kontakte zu den jeweils für die Zielgruppe relevanten formellen und informellen Beratungsstellen und Institutionen sind hierbei unerlässlich. Die eingesetzten Fachkräfte vermitteln zwischen den Adressat:innen und relevanten Akteur:innen.
5.6. Parteiliche Interessensvertretung
Streetwork und Mobile Jugendarbeit setzt sich für die Interessen und Bedürfnisse der Adressat:innen ein und vertritt diese gemeinsam mit ihnen gegenüber Dritten, um eine Verbesserung ihrer allgemeinen Lebensbedingungen zu erreichen.
Engagement für selbstbestimmte Kommunikations- und Treffmöglichkeiten ihrer Zielgruppe im öffentlichen oder halböffentlichen Raum und bei Bedarf auch für Räume im eigentlichen Sinn ist eine Aufgabe von Streetwork und Mobiler Jugendarbeit. Sie unterstützt ihre Klientel bei der Aneignung sozialer Räume und fördert den gesellschaftlichen Dialog.
Aufgrund fundierter Kenntnisse der Lebenswelt ihrer Zielgruppe formulieren die Fachkräfte Bedarfe für die Sozial- und Jugendhilfeplanung, können als Fachinstanz für Themen ihrer Adressat:innen gehört werden und bieten sich ihren Adressat:innen in Konfliktfällen als Vermittlungsinstanz an.
5.7. Inklusion und Diversitätssensibilität
Streetwork und Mobile Jugendarbeit haben mitunter auch die Aufgabe, ausgegrenzte und stigmatisierte junge Menschen beim Zugang zu gesellschaftlichen Ressourcen zu unterstützen. Dabei setzen sie sich dafür ein, gesellschaftliche Rahmenbedingungen zu schaffen, die allen jungen Menschen Teilhabe ermöglichen – unabhängig von beispielsweise ihrer ethnischen, sozialen oder subkulturellen Herkunft, ihrer sexuellen Orientierung, ihres biologischen Geschlechts, ihrer Genderidentität, ihrer Religion oder von physischen oder psychischen Einschränkungen.
5.8. Öffentlichkeitsarbeit
Durch Öffentlichkeitsarbeit werden der Gesellschaft sowohl Einblicke in die Lebenswelten derZielgruppen als auch in die Arbeitsweise von Streetwork und Mobiler Jugendarbeit gewährt. Das schafft Transparenz gegenüber Adressat:innen, Auftraggebenden sowie der Allgemeinheit und erhöht den Bekanntheitsgrad des Arbeitsfeldes und seines gesetzlichen Auftrages. Hierdurch werden mitunter auch Zugangsschwellen weiter abgebaut. Die Öffentlichkeitsarbeit erfordert dabei eine hohe Sensibilität hinsichtlich der Interessen der Betroffenen. Die jeweils aktuell gültigen datenschutzrechtlichen Bestimmungen sind einzuhalten.
Um eine gelingende Arbeitsbeziehung aufzubauen, erfordern der Zugang zu und der Umgang mit den Adressat:innen eine empathische Haltung. Den jungen Menschen gegenüber bedarf es einer offenen, akzeptierenden Arbeitsweise, welche die Lebensweisen, Vorstellungen, Strategien und Konstruktionen der Adressat:innen respektiert.
Aus dieser beschriebenen Haltung, der Wissenschaft und den langjährigen Erfahrungen der Fachkräfte im Arbeitsfeld ergeben sich die handlungsleitenden Arbeitsprinzipien für Streetwork und Mobile Jugendarbeit. Sie sind die Grundlage für das Erreichen der beschriebenen Ziele und sollen in der täglichen Arbeit von allen Fachkräften angewendet werden.
6.1. Bedürfnis- und Lebensweltorientierung
Streetwork und Mobile Jugendarbeit nehmen ihre Adressat:innen mit all ihren Stärken, Ressourcen und Themen im Kontext ihrer Lebenswelt und sozialen Bezüge wahr und sind Ansprechinstanzen für auftretende Fragen und Herausforderungen. Die Lebensweltorientierung ermöglicht ein grundlegendes Verständnis für Handlungsweisen, Bewältigungsstrategien, Alltagsgestaltung und Bedarfe der Adressat:innen.
Dabei werden Adressat:innen mit all ihren Bedürfnissen und Interessen als Expert:innen für sich selbst und ihre Lebenswelt gesehen. Handlungsleitend ist somit ein Dialog auf Augenhöhe mit den Adressat:innen und die gemeinsame Reflexion ihrer Handlungsmöglichkeiten in Bezug auf ihre Lebenslagen. Damit einher geht die Aktivierung für die eigenen Belange und die möglichst selbstständige Ausgestaltung der eigenen Lebenssituation.
Streetwork und Mobile Jugendarbeit bewegt sich im Rahmen ihres Handlungsauftrages in der Lebenswelt der jeweiligen Zielgruppe, geht aktiv auf sie zu und hält sich dort als Gast mit einer
akzeptierenden Haltung auf. Dies entspricht einer „Geh-Struktur“ anstelle einer „Komm-Struktur“, wie sie in vielen anderen Feldern der Kinder- und Jugendarbeit im Speziellen und der Sozialen Arbeit im Allgemeinen praktiziert wird.
6.2. Niedrigschwelligkeit und Flexibilität
Zugangsmöglichkeiten und Erreichbarkeit aller Angebote müssen den Bedürfnissen und Möglichkeiten der Adressat:innen entsprechen, damit diese von ihnen ohne Vorbedingungen und Vorleistungen in Anspruch genommen werden können. Die Arbeitszeit muss im Rahmen der individuellen Möglichkeiten und dem aktuellen Bedarf flexibel gestaltet und am Lebensrhythmus
der Adressat:innen ausgerichtet sein. Damit tragfähige Kontakte entstehen und Adressat:innen für sie hilfreiche Angebote auch wahrnehmen können, werden sämtliche Bedingungen, Voraussetzungen oder sonstige Hürden möglichst niedrig gehalten.
Mit Blick auf die Nutzung von Social Media durch junge Menschen sollten alle Stellen in der Streetwork und Mobilen Jugendarbeit entsprechend technisch ausgestattet sein, um Zugang zu den jeweils aktuell genutzten Kommunikationskanälen ihrer Adressat:innen zu haben.
6.3. Akzeptanz
Streetwork und Mobile Jugendarbeit können nur Zugang zu ihren Adressat:innen finden, wenn sie deren individuelle Vorstellungen, Lebensentwürfe und Strategien akzeptieren und ernst nehmen. Dies ist eine unverzichtbare Voraussetzung insbesondere für die Zusammenarbeit mit ansonsten ausgegrenzten jungen Menschen.
Akzeptanz bedeutet eine wertschätzende und respektvolle Grundeinstellung gegenüber den Adressat:innen. Dies schließt eine kritische und hinterfragende Haltung gegenüber den Handelnden ohne einen konkreten Veränderungsanspruch mit ein. Streetwork und Mobile Jugendarbeit bieten in diesem Zusammenhang Reflexionsräume für ihre Adressat:innen an, ihre Handlungen, Haltungen, Einstellungen und Meinungen betreffend.
Angebote von Streetwork und Mobiler Jugendarbeit stehen allen jungen Menschen unabhängig von Geschlecht, Gender, Nationalität, ethnischer Herkunft, Weltanschauung, religiöser Zugehörigkeit, körperlicher/psychischer/geistiger Beeinträchtigung, Lebensstil oder Verhaltensweisen offen. Die individuellen Möglichkeiten, Gewohnheiten, Lebensrhythmen, Ausdrucksformen sowie die kulturellen und ethnischen Identitäten der Adressat:innen werden bei der Ausgestaltung des jeweiligen Angebots berücksichtigt.
6.4. Freiwilligkeit
Eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit der Zielgruppe ist nur auf der Grundlage von Freiwilligkeit möglich. Die Kontaktaufnahme, die Dauer und die Intensität des Kontaktes werden von den Adressat:innen im Rahmen der Angebote entschieden. Davon unbenommen unterbreiten Streetwork und Mobile Jugendarbeit wiederkehrende Kontaktangebote.
6.5. Partizipation
Partizipation ist das durchgängige Arbeitsprinzip des Arbeitsfeldes. Junge Menschen werden in verschiedenen Lebensphasen begleitet und dazu motiviert, ihre Themen und Bedarfslagen selbstbestimmt anzugehen. Das Ziel ist dabei stets die Befähigung junger Menschen zur Teilhabe an gesellschaftlichen und politischen Aushandlungsprozessen.
6.6. Transparenz
Die Mitarbeiter:innen des Arbeitsfeldes verhalten sich den Adressat:innen gegenüber offen, ehrlich und authentisch und machen ihnen somit deutlich, welche Absichten, Möglichkeiten und Grenzen ihr Handeln hat. Dadurch haben die Adressat:innen die Möglichkeit, eine realistische Einschätzung über die damit verbundenen Chancen und Risiken zu bekommen.
Transparenz schafft die Möglichkeit, selbstbestimmt und bewusst Entscheidungen zu treffen. Dies ist die Voraussetzung für eine Kontrolle über die eigenen Entwicklungen und für eine selbständige Orientierung. Die Adressat:innen von Streetwork und Mobiler Jugendarbeit haben oft ein gutes Gespür dafür, ob mit ihnen offen und ehrlich gearbeitet wird. Bei fehlender Transparenz besteht das Risiko des Vertrauensverlustes, was zu einem Gefühl von Kontrollverlust und dadurch zu erhöhter Frustration bis hin zu Kontaktabbrüchen gegenüber den Mitarbeiter:innen führen kann.
6.7. Vertrauensschutz und Anonymität
Streetwork und Mobile Jugendarbeit arbeiten vertraulich und auf Wunsch anonym. Es werden keine personenbezogenen Daten gesammelt und festgehalten. Ohne Mandat der Adressat:innen werden keine Informationen an Dritte weitergegeben. Sie führen und dokumentieren keine personenbezogenen Akten und Fallverläufe und verwenden diese auch nicht für ein Berichtswesen. Die gesetzlichen Vorgaben wie Schweigepflicht und Datenschutz sind Grundlagen der Arbeit.
6.8. Parteilichkeit
Streetwork und Mobile Jugendarbeit folgen in ihrer Arbeit den Interessen der Adressat:innen. Im Vordergrund stehen die jungen Menschen mit ihren Wünschen, Interessen, Anliegen und Problemen. Streetwork und Mobile Jugendarbeit erfüllen eine klare Lobby- und Anwaltsfunktion für ihre Adressat:innen.
Junge Menschen haben grundlegende Rechte auf gesellschaftliche Teilhabe und sozialräumliche Aneignung von Umwelt und Räumen. Das Arbeitsfeld tritt anwaltschaftlich und parteilich für die Rechte ihrer Adressat:innen sowie für die Förderung ihrer Entwicklung ein. Es wirkt gegen soziale Ungerechtigkeit und Marginalisierungs- und Segregationsprozesse. Streetwork und Mobile Jugendarbeit sind für die Anliegen ihrer Adressat:innen zuständig, nicht für die Auswirkungen ihrer Handlungen.
6.9. Kontinuität und Verlässlichkeit
Kontinuität und Verlässlichkeit sind eine wichtige Basis für den Vertrauensaufbau zu den Zielgruppen. Die Fachkräfte im Arbeitsfeld erreichen dies durch das kontinuierliche Aufsuchen von Adressat:innen und die Anwesenheit an deren Treffpunkten. Unerlässlich ist das Angebot einer verlässlichen und respektvollen Arbeitsbeziehung.
6.10. Fachpolitische Abgrenzung
Streetwork und Mobile Jugendarbeit grenzen sich eindeutig von sicherheits- und ordnungspolitischer Instrumentalisierung ab. Sie sind ein auf Vertrauen aufbauendes Angebot der Sozialen Arbeit und müssen als solches für die Adressat:innen auch deutlich erkennbar sein und bleiben. Eine Interaktion mit Polizei und Ordnungsbehörden im Sinne von bspw. Runden Tischen ist jedoch unter der Einhaltung der entsprechenden Datenschutzbestimmungen und dem Prinzip der Parteilichkeit möglich und kann auch zur Vertretung der Interessen junger Menschen und eines Wirkens der Fachkräfte in deren Sozialraum sinnvoll sein.
7.1. Gesetzliche Grundlagen
Die gesetzlichen Bestimmungen für das Arbeitsfeld Streetwork und Mobile Jugendarbeit sind entsprechend der Bedarfslagen der Adressat:innen in den Sozialgesetzbüchern geregelt.
Die rechtlichen Grundlagen sind für die Arbeit mit
7.2. Rahmenbedingungen
Um Angebote der Streetwork und Mobilen Jugendarbeit entlang der beschriebenen fachlichen Standards qualitativ hochwertig umsetzen zu können, sind folgende Rahmenbedingungen wünschenswert. Dabei ist stets entlang der Bedarfe der jungen Menschen als Adressat:innen und der Möglichkeiten im Sozialraum zu prüfen, welche Erfordernisse tatsächlich und in welchem Umfang bestehen.
7.2.1. Personelle Rahmenbedingungen
7.2.2. Materielle und strukturelle Rahmenbedingungen
7.2.3. Fachliche Begleitung / Reflexion