19.03.2023

Mobilitätsleitlinie für die Jugendarbeit in Bayern

Die Delegierten der 162. BJR-Vollversammlung verpflichten sich mit der Leitlinie zu einer nachhaltigen Mobilität der Jugendarbeit in Bayern.

Gliederung

  1. Einleitung
    1.1 Rahmenbedingungen
    1.2 Jugendgerechte Mobilität
  2. Ziele und Dimensionen
    2.1 Ziele der Mobilitätsleitlinie
    2.2 Dimensionen nachhaltiger Mobilität
  3. Analyse - um wen und um was geht es hier konkret?
    3.1 Akteure der Jugendarbeit
    3.2 Aktivitäten der Jugendarbeit
    3.3 Adressaten von Jugendarbeit
    3.4 Mögliche Zielkonflikte und Trägheitspotentiale
  4. Mobilitätsleitlinie für die Jugendarbeit in Bayern
  5. Selbstverpflichtung und Monitoring

 

1. Einleitung

„Mobilität ist eine wichtige Voraussetzung für Inklusion, Selbstbestimmung, Emanzipation und Partizipation aller jungen Menschen. Die Möglichkeit, sich eigenständig fortbewegen zu können und dabei über Anlass, Ort, Zeit, und Verkehrsmittel selbst zu entscheiden, ist sowohl ein wichtiger Entwicklungsschritt, als auch die Voraussetzung für ihre gesellschaftliche Teilhabe. Alltagswege zur Schule, zum Ausbildungs- oder Arbeitsplatz, Studium oder zu Freizeitaktivitäten, zum Treffen von Freund*innen und Familienmitgliedern sind hierbei ebenso von Bedeutung wie Reisen oder Wohnortwechsel.“[1]

Die heutige moderne Industrie- und Dienstleistungsgesellschaft ist ohne Mobilität[2] nicht vorstellbar. Der zügige Ortswechsel von Menschen und Gütern ist eine zivilisatorische Errungenschaft, die in vielerlei Hinsicht das Leben bereichern kann. Gleichzeitig entstehen durch Güter- und Personenverkehr erhebliche Umweltbelastungen, die einen wesentlichen Beitrag zum, vom Menschen verursachten, Klimawandel leisten. So war der Straßenverkehr verantwortlich für 26% aller CO2-Emissionen in der EU im Jahr 2019. Trotz besserer Motoren und Abgastechnik sowie die Verwendung neuer Kraftstoffe, die zur Verringerung des Schadstoffsausstoßes beitragen, werden diese Einspareffekte durch die zunehmende Zahl hochmotorisierter Fahrzeuge mit hohem Kraftstoffverbrauch wieder mehr als aufgewogen, d.h. die CO2-Emissionen nehmen im Straßenverkehrssektor tendenziell zu.[3] Der Flugverkehr trägt zwar nur einen verhältnismäßig kleinen Teil an CO2-Emissionen bei, ist allerdings wegen anderer klimawirksamer Emissionen als sehr problematisch anzusehen.

Durch die fortschreitende Urbanisierung und den zunehmenden Individualverkehr entstehen im städtischen Bereich zunehmend hohe Verkehrsaufkommen auf engstem Raum. Laut Verkehrsprognose Bayern 2030 wird in Bayern die Verkehrsleistung, die wichtigste Kenngröße zur Bestimmung der Verkehrsentwicklung, insgesamt um 26,3 Prozent steigen. Das bedeutet ein Wachstum von 208,1 Milliarden Personenkilometer im Jahr 2010 auf 262,9 Milliarden Personenkilometer im Jahr 2030.[4] Stetig zunehmende Beförderungszahlen stellen den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) hier vor große Herausforderungen. Umgekehrt sorgt ein oft spärliches ÖPNV-Angebot auf dem Land dafür, dass Menschen weiterhin auf den eigenen PKW angewiesen sind.

Nachhaltige Mobilitätskonzepte sind nicht nur aus Umwelt- und Klimaschutzgründen notwendig, sie können auch einen Betrag leisten, Lärmbelastungen und Stress zu mindern und so die Rahmenbedingungen für ein gesundes Aufwachsen von jungen Menschen zu verbessern. Die Entwicklung hin zu einer nachhaltigeren Mobilität stellt auch die Jugendarbeit vor große Herausforderungen. Nicht immer liegen Einrichtungen der Kinder- und Jugendarbeit verkehrstechnisch so günstig, dass die An- und Abreise ausschließlich mit öffentlichen Verkehrsmitteln möglich ist. Darüber hinaus nehmen die Beförderungszeiten zwischen Wohnort, Schule, Ausbildungsplatz etc. zu. Insbesondere im ländlichen Raum ist Mobilität inzwischen häufig der Schlüsselfaktor und unbedingte Voraussetzung damit Jugendarbeit und ehrenamtliches Engagement überhaupt stattfinden kann.[5] Internationale Jugendbegegnungen sind mit vielen Partnerländern ohne Flugreisen in der Praxis nicht zu realisieren, der bloße Verzicht darauf kann an dieser Stelle nicht die einfache Antwort sein.

1.1 Rahmenbedingungen

Das International Panel on Climate Change (IPCC)[6], hat 2022 in seinem 6. Sachstandsbericht betont, dass es nach wie vor möglich sei, die globale Erwärmung auf 1,5°C bis 2100 zu begrenzen. Dafür seien allerdings eine sofortige globale Trendwende sowie tiefgreifende Treibhausgas-Minderungen in allen Weltregionen und allen Sektoren nötig. Der Zielwert von 1,5 Grad Celsius wurde im Übereinkommen von Paris von 2015 als ein völkerrechtlicher Vertrag zwischen 195 Staaten anlässlich der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen beschlossen.

Auf nationaler Ebene werden diese Zielvorgaben im Klimaschutzprogramm 2030[7] der Bundesregierung gebündelt und für die einzelnen Sektoren operationalisiert. So ist für den Verkehrsbereich der Ausbau der Elektromobilität vorgesehen, eine Bepreisung der verkehrsbedingten CO2-Emissionen, zusätzliche Investitionen in das Schienennetz der Bahn, Ausbau des ÖPNV sowie die Reduktion der Mehrwertsteuer auf Bahnfahrten von 19 % auf 7 %.

Die Bayerische Staatsregierung hat sich gemäß der Regierungserklärung von Ministerpräsident Dr. Markus Söder „Klimaland Bayern“[8]im Juli 2021 für den Verkehrssektor ebenfalls den Ausbau der Elektromobilität samt zugehöriger Infrastruktur vorgenommen, den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs durch die Reaktivierung alter Bahnstrecken sowie  die Verbesserung der Radinfrastruktur.

Es ist davon auszugehen, dass der Krieg in der Ukraine und die damit einhergehende Energiekrise in Europa, die Umsetzung der geplanten Klimaschutzmaßnahmen in allen Sektoren, und somit auch im Verkehrssektor, zumindest stark verzögern wird. Im energiepolitischen Spannungsfeld zwischen Versorgungssicherheit, Wirtschaftlichkeit und Klimaschutz bestimmt der Aspekt der Versorgungssicherheit das politische Handeln. Knappheit von Energie/Energieträgern führt zu steigenden Preisen auch im Verkehrssektor, was auch unmittelbar Auswirkungen auf die Mobilität in der Jugendarbeit hat.

1.2 Jugendgerechte Mobilität

Jugendgerechte Mobilität“ meint in dieser Leitlinie Mobilität, die junge Menschen eigenständig (auch ohne Führerschein) und nachhaltig, also möglichst klimaneutral, ressourcenschonend und ohne hohe Kosten nutzen können. Junge Menschen sind überwiegend Fußgänger:innen, Fahrradfahrer:innen und Nutzer:innen des ÖPNV, aus Altersgründen, aus Kostengründen und aus Klimaschutzgründen. Die Akteure in der Jugendarbeit benötigen darüber hinausgehend Mobilitätsmittel, um Teilnehmende und Material sicher an Veranstaltungsorte und wieder nach Hause zu bringen  - an dieser Stelle sind auch die besonderen Anforderungen von Inklusion mitzudenken. Dabei sind die Voraussetzungen und Möglichkeiten, dies mit möglichst klimafreundlichen, jugendgerechten Verkehrsmitteln zu erreichen, in Bayern sehr unterschiedlich. Mit diesen ungleichen Bedingungen muss die Jugendarbeit und damit auch diese Mobilitätsleitlinie des BJR umgehen, weshalb es keine für alle Akteure verbindliche Handlungsanweisungen geben kann, sondern eigene spezifische nachhaltige Mobilitätskonzepte zu entwickeln sind.

2.  Ziele und Dimensionen

2.1 Ziele der Leitlinie

Vor diesem Hintergrund formuliert der Bayerische Jugendring als Arbeitsgemeinschaft der bayerischen Jugendverbände für seine Mitgliedsorganisationen und Gliederungen auf Landes- Bezirks- und Kreisebene in dieser Leitlinie seine Vorstellungen für zukunftsfähige Mobilität in der bayerischen Jugendarbeit. Dabei verfolgt die Leitlinie folgende Ziele:

  • Sie setzt den Rahmen für eine zukunftsorientierte, klimafreundliche und jugendgerechte Mobilität, die das Innovationspotenzial von Jugendarbeit befördert.
  • Sie führt dazu, dass die Gliederungen, Mitgliedsverbände, Einrichtungen, usw. sich eigenverantwortlich mit ihrem bisherigen Umgang mit  Mobilität zu beschäftigen, eigene nachhaltige Mobilitätskonzepte zu erarbeiten und sich hierüber mit anderen Organisationen/Gliederungen/Einrichtungen auszutauschen.
  • Sie soll die Jugendverbände, Gliederungen, Einrichtungen usw. für ihre Arbeit mit Kindern und Jugendlichen sensibilisieren im Sinne von Bildung für Nachhaltige Entwicklung (BNE). Die Leitlinie kann Grundlage für Überlegungen sein, wie Kinder und Jugendliche selbst ihre Mobilität möglichst klimaneutral gestalten können.
  • Sie kann Bezugspunkt sein für die eigene jugendpolitische Positionierung im Wirken auf der jeweiligen politischen Ebene.

2.2 Dimensionen nachhaltiger Mobilität

Nachhaltige Mobilität zielt auf mehrere Dimensionen ab: Im Zentrum steht dabei    natürlich der Klimaschutz, das heißt vor allem die Vermeidung oder Reduzierung klimawirksamer Gase, die den Treibhauseffekt befördern und damit zur Erwärmung des Klimas auf der Erde beitragen.

Eine weitere Dimension ist der Gesundheitsschutz, denn das gesunde Aufwachsen von jungen Menschen ist uns zentrales Anliegen der Jugendarbeit. Abgase aus Verbrennungsmotoren und daraus resultierende Feinstaubbelastungen vor allem in den Städten sind belastende Faktoren für die physische Gesundheit. Verkehrslärm ist ein großer Stressor und kann neben den körperlichen Wirkungen auch die Psyche belasten.

Als dritte Dimension ist an dieser Stelle der Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen zu nennen und das heißt eben auch schonend mit den vorhandenen Ressourcen umzugehen. Schon vor rund 50 Jahren warnte der Club of Rome in seiner Publikation „Grenzen des Wachstums“[9] vor den Folgen einer nur auf Wachstum basierenden Wirtschaftsweise und prognostizierte für die Zukunft einen dramatischen Ressourcenmangel sowie massive Umweltprobleme. Ergänzt wird diese Dimension heute vom Verständnis um die Wichtigkeit des Erhalts der Biodiversität, für deren Reduzierung der Verkehr ebenfalls einen Teil beiträgt, z.B. durch Straßenbau, Flussbegradigungen, Zerstückelung und Versiegelung von Flächen usw.[10]

3. Analyse - um wen und was geht es hier konkret?

Gemessen am Umfang von Personen und Gütern, die in Bayern von A nach B bewegt werden oder sich selbst bewegen, sind die jugendarbeitsbedingten Bewegungen vermutlich eher klein. Dennoch trägt die Jugendarbeit mit ihren Aktivitäten in der Erfüllung ihrer Aufgaben nach SBG VIII einen Teil zum Gesamtmobilitätsaufkommen bei. Auch wenn sich dieser Anteil an zurückgelegten Kilometern oder Emissionen für die gesamte Jugendarbeit nicht genau beziffern lässt, können zumindest die Akteure, die beteiligten Personen und Adressaten sowie die Aktivitäten in den Blick genommen und beschrieben werden.

3.1 Akteure der Jugendarbeit

Wenn hier von Mobilität der Jugendarbeit in Bayern gesprochen wird, dann sind die handelnden Akteure im Wesentlichen der Bayerische Jugendring samt seiner Gliederungen, also die 96 Stadt- und Kreisjugendringe, die 7 Bezirksjugendringe, die Jugendbildungsstätten in Bayern, die Mitgliedsverbände des BJR, also die Jugendorganisationen von der Landesebene über die Bezirksebene bis hin zur Kreis- oder Ortsebene. Daneben ist die kommunale Jugendarbeit mit ihren vielfältigen Angeboten und ihrer Steuerungsfunktion auf kommunaler Ebene ein wesentlicher Akteur, in Zusammenarbeit mit der Gemeindejugendpflege, die hier auf lokaler Ebene agiert. Die offene Jugendarbeit als Arbeitsfeld ist hier ebenfalls zu nennen, da sie zahlreiche Einrichtungen wie Jugendtreffs, Jugendzentren, Aktivspielplätze, Jugendfarmen aber auch mobile Jugendarbeit und Streetwork usw. unter ihrem Dach vereint.

3.2 Aktivitäten der Jugendarbeit

Die Aufgaben der Jugendarbeit sind in §11 SGB VIII klar benannt. Diese Aufgaben werden mit Hilfe vielfältiger Aktivitäten umgesetzt, die sich je nach Akteur, Zielgruppe, Handlungsebene usw. unterscheiden und sich konsequenterweise auch stetig weiterentwickeln. Klassische Aktivitäten der Jugendarbeit sind Gruppenstunden, Trainingsstunden, Übungstreffen, Freizeitaktivitäten und Ausflüge, Ferienmaßnahmen, Seminare, Schulungen, internationale Jugendbegegnungen, usw. Es kann die Tendenz festgestellt werden, dass je kürzer die Dauer der Aktivität ist, die Mobilitätsintensität eher gering ist, längere Aktivitäten gehen eher mit längeren Reisewegen einher.

3.3 Adressat:innen von Jugendarbeit

Jugendarbeit bewegt Menschen nicht nur im metaphorischen Sinn. Es machen sich Kinder und Jugendliche auf den Weg zu den Gruppenstunden, Trainingseinheiten, Proben ihrer Jugendorganisationen oder sind unterwegs auf dem Weg zum Jugendtreff oder zum Abenteuerspielplatz. Junge Menschen steigen in einen Zug oder in einen Reisebus um mit ihrer Gruppe ins Feriencamp zu fahren. Ehrenamtliche Jugendleiter:innen fahren vielleicht mit dem Auto zu einem Fortbildungsseminar in eine Jugendbildungsstätte eines Jugendrings während die hauptamtlichen Fachkräfte der Jugendarbeit sich zu einer Dienstreise aufmachen, eine Fortbildung oder ein Vernetzungstreffen auf der Landesebene besuchen. Daneben treffen sich die Vorstände zu Vorstandssitzungen, um jugendpolitische oder strategische Fragen zu besprechen. Im Hinblick auf die in der Jugendarbeit involvierten Personengruppen kann die Tendenz festgestellt werden, dass die Mobilitätsintensität einhergeht mit der Zunahme von Verantwortungsübernahme.

3.4. Mögliche Zielkonflikte und Trägheitspotentiale

Um ein nachhaltiges Mobilitätskonzept zu entwickeln ist es notwendig, die potentiellen Zielkonflikte innerhalb einer Organisation zu identifizieren, zu benennen und nach Lösungen zu suchen. In diesem Zusammenhang ist zunächst der ganz offensichtliche Zielkonflikt zwischen Reisezeitersparnis und nachhaltigem, klimaschonendem Reisen zu nennen. Weitere Aspekte, die auf Zielkonflikte hinweisen könnten sind beispielsweise der Anspruch „bequem“ zu Reisen, der Transport von Gepäck/Material, aber auch geltendes Recht wie Bestimmungen im Tarifrecht, das Bundesreisekostengesetz, das bayerische Reisekostengesetz kann jugendpolitischen Beschlussfassungen Grenzen setzen. Und nicht zuletzt ist noch mit der Realität umzugehen, d.h. mit der vorhanden Verkehrsinfrastruktur, die sich nur langsam weiterentwickelt und von politischen Beschlüssen, Haushaltslagen und Verfügbarkeit von Ressourcen zum Bauen abhängt.

Neben all diesen meist objektiven Ansprüchen und Situationen sind auch die subjektiven Momente zu bedenken. Jugendorganisationen bestehen in der Regel schon länger und es haben sich mit der Zeit bei deren Akteuren und Zielgruppen Mobilitätskulturen entwickelt, die nur schwer von heute auf morgen zu verändern sind, denn Kulturwechsel brauchen immer Zeit für Vermittlung von Information, Überzeugungsarbeit und schrittweises umsetzen von Zielen, um letztlich die neue Kultur/Gewohnheit zu werden.

4. Leitlinie für eine nachhaltige Mobilität der Jugendarbeit in Bayern

Für die Mobilitätsleitlinie, die entsprechend den beschriebenen Zielen und Dimensionen von Nachhaltigkeit, einen Rahmen setzten soll, gibt es rein logisch folgende theoretische Optionen:

  • Verzicht/Vermeidung von Mobilität (Beispiel: Die Vorstandssitzung findet als Onlinekonferenz statt und nicht in Präsenz.)
  • Reduzierung von klimawirksamen Emissionen durch die Wahl eines anderen Verkehrsmittels (Beispiel: für die gemeinsame Anfahrt zur Ferienmaßnahme wird der Zug anstatt eines Reisebusses gewählt.)
  • Reduzierung von klimawirksamen Emissionen durch weniger Mobilität (Beispiel: Es wird für die Jugendleiter:innenausbildung ein Seminarhaus in 20 km Entfernung gewählt, statt eines das 200 km entfernt ist.)
  • Nutzung von Instrumenten zum Ausgleich der CO2-Bilanz bei unvermeidbaren Flugreisen (Beispiel: Für den Flug zur internationalen Jugendbegegnung nach Japan wird über eine Organisation ein Ausgleichszertifikat gekauft, die dieses Geld in eine Maßnahme investiert, die den durch den Flug entstanden Ausstoß an treibhauswirksamen gasen kompensiert - die gesundheitsschädlichen Aspekte sowie die verbrauchten Ressourcen kann dieses Zertifikat allerdings nicht ausgleichen.)

Alle Akteur:innen der Jugendarbeit sind aufgerufen mit gutem Beispiel vorangehen und vorrangig Klima, Umwelt und Ressourcen schonende Verkehrsmittel zu nutzen. Für die konkrete Umsetzung bedeutet dies, dass sich alle Akteur:innen der bayerischen Jugendarbeit verpflichten, das Thema Mobilität und ihre Folgen in ihrem Kontext bearbeiten und zu ihrer Situation passende Strategien entwickeln, wie ihre Mobilität möglichst jugendgerecht, klimafreundlich, gesundheitsfördernd und ressourcenschonend gestaltet werden kann. Leitfragen/Leitgedanken eines solchen Mobilitätskonzept können sein:


  • Wie ist die derzeitige Fahrtkostenerstattungspraxis in unserer Organisation? Werden nur Kosten für Autofahrten erstattet, die unvermeidbar waren? Weisen wir in unseren TeilnehmendenInformationen auf die Möglichkeit hin, Fahrgemeinschaften zu bilden und wird dies dann auch entsprechend „belohnt“?
  • Sind unsere Veranstaltungsorte so gewählt, dass sie mit öffentlichen Verkehrsmitteln gut erreichbar sind? Und falls es Gründe gibt, Orte zu nutzen, die nicht mit dem ÖPNV erreicht werden können, kümmern wir uns um Alternativen zum motorisierten Individualverkehr, wie Fahrgemeinschaften, Ruftaxen, Fahrräder, Gepäckshuttles etc.?
  • Sind Flugreisen für die Durchführung unserer Maßnahmen wirklich notwendig oder gibt es Alternativen? Welches Verhältnis von Reisedauer und Entfernung definieren wir uns als Entscheidungsgrundlage? Aufgrund welcher weiteren Kriterien wollen wir unsere Entscheidung abwägen?
  • Müssen alle Veranstaltungen immer in Präsenz stattfinden? Welche Formate, Gremientreffen, Schulungen, Teamsitzungen, etc. können möglicherweise auch als Videokonferenzen stattfinden? Wenn die An- und Abreise mit dem ÖPNV mehr Zeit in Anspruch nimmt, als die Veranstaltung an sich dauert, dann könnte ein Onlineformat möglicherweise sinnvoll sein.
  • Welche Formate können möglicherweise auch in hybrider Form stattfinden, um Menschen mit weiter Anreise die Teilnahme zu erleichtern und Emissionen zu vermeiden?
  • Haben wir als Organisation ein Wissen darüber, wie unsere Mitarbeitenden zu ihrer Arbeitsstelle kommen? Welche Anreizsysteme (z. B. Jobtickets, Bahncards, Dienstfahrräder, etc.) kann Jugendarbeit als Arbeitgeber schaffen um die Nutzung von Fahrrädern und dem ÖPNV attraktiver werden?
  • Wie kann das Werkzeug der CO2-Kompensation für uns ein sinnvolles Mittel sein, um unvermeidbare Emissionen durch unsere Mobilität auszugleichen? Mit welchen Organisationen könnte hier zusammengearbeitet werden? Dabei ist zu bedenken, dass die Vermeidung von CO2-Ausstoß immer besser ist, als eine finanzielle Kompensation.
  • Gibt es bereits ein Verfahren, wie mit dem Transport von Material umgegangen wird? Könnte die Nutzung von Lastenrädern oder Speditionen in unseren Jugendarbeitskontext eine Möglichkeit sein, Materialtransporte emissionsärmer zu gestalten?
  • Ist bei der Neuanschaffung von Fahrzeugen für die Organisation das Kriterium des Verbrauchs maßgeblich? Wird auch die Option der Elektromobilität geprüft?
  • Auf welche Weise könnte ein organisationsinternes Controlling eingeführt/optimiert werden, um Daten über Fortschritte bei der Entwicklung hin zu einer nachhaltigeren und jugendgerechten Mobilität der Organisation zu sammeln, um eine Grundlage für eine Berichterstattung haben.

Um die Ziele dieser Mobilitätsleitlinie zu erreichen, sind alle Akteur:innen in der bayerischen Jugendarbeit gefordert, immer wieder zu überprüfen, an welchen Stellen sie beim Thema nachhaltige Mobilität noch besser werden können.

5. Selbstverpflichtung und Monitoring

Alle Mitgliedsorganisationen, Gliederungen und Einrichtungen des BJR verpflichten sich bis zur Frühjahrsvollversammlung 2024 ihre eigene Mobilitätsrealität zu analysieren und bis zur Frühjahrsvollversammlung 2025 ein eigenes nachhaltiges Mobilitätskonzept zu erstellen, das auf der Auswertung dieser Mobilitätsrealität basiert und Entwicklungslinien und konkrete Ziele aufzeigt. Der BJR wird ein jährlich stattfindendes Austauschtreffen anbieten, bei dem über Strategien und Erfolge diskutiert werden soll, um im Sinne von Best-Practice voneinander zu lernen und um die Mobilität der Jugendarbeit noch nachhaltiger und jugendgerechter zu gestalten.

 

[1] DBJR, Positionspapier: Junge Menschen bewegen - Eine nachhaltige Mobilitätswende für alle! 2020

[2] Der Begriff „Mobilität“ wird in diesem Papier verwendet als territoriale Mobilität, also die Bewegung von Personen im geographischen Raum und ist abzugrenzen von metaphorischen Verwendungen wie etwa „soziale Mobilität“

[3] Bundesamt für Statistik, https://www.destatis.de/Europa/DE/Thema/Umwelt-Energie/CO2_Strassenverkehr.html (zuletzt aufgerufen am 05.09.2022)

[4] https://www.stmb.bayern.de/vum/handlungsfelder/verkehrsinfrastruktur/verkehrsentwicklung/index.php (zuletzt abgerufen am 06.09.2022

[5] vgl. Position des BJR: Nachhaltige Entwicklung in der Jugendarbeit, 2015

[6] Der Weltklimarat (Zwischenstaatlicher Ausschuss für Klimaänderungen, IPCC) wurde 1988 vom Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) und der Weltorganisation für Meteorologie (WMO) als zwischenstaatlicher Ausschuss ins Leben gerufen.

[7] https://www.bundesregierung.de/breg-de/themen/klimaschutz/massnahmenprogramm-klima-1679498 (zuletzt aufgerufen am 06.09.2022)

[8] https://www.bayern.de/klimaland-bayern/ (zuletzt abgerufen am 06.09.2022)

[9] https://clubofrome.de/die-grenzen-des-wachstums/ (zuletzt abgerufen am 06.09.2022)

[10] vgl. https://www.bmvi.de/SharedDocs/DE/Anlage/G/analyse-biodiversitaetsfoerdernder-massnahmen-verkehr.pdf?__blob=publicationFile (zuletzt abgerufen am 06.09.2022)

Patrick Wolf
er/ihm
Büroleiter und Queer-Beauftragter