Hände halten einen kleinen selbst gebastelten Heißluftballon in den blauen Himmel.

juna #1.18 Internationale Jugendarbeit

Den Sternen nah - Interview mit Insa Thiele-Eich, die die erste deutsche Frau im All werden könnte.

Die Bonner Meteorologin Insa Thiele-Eich könnte die erste deutsche Frau im All werden. Die Crowdfunding-Kampagne „Die Astronautin“ will diese 2020 auf eine zehntägige Forschungsmission zur Internationalen Raumstation ISS schicken. Dafür sammelt sie bis zu 50 Millionen Euro. Insa Thiele-Eich hat sich als eine von zwei verbliebenen Kandidatinnen gegen 400 Mitbewerberinnen durchgesetzt. Als Meteorologin und Kämpferin für den Klimaschutz ist sie nah dran an den Themen der Jugendarbeit.

Text: Marco M. Runge

Frau Thiele-Eich, erzählen Sie uns von Ihrem Beruf.

Ich bin Meteorologin und wissenschaftliche Koordinatorin am Meteorologischen Institut der Universität Bonn. Ich betreibe dort Grundlagenforschung für eine verbesserte Wetter- und Klimavorhersage und untersuche zum Beispiel den Wasser- oder Energieaustausch zwischen Boden, Vegetation und Atmosphäre.

Was kann jeder Einzelne von uns für den Klimaschutz tun?

Wie bei vielen Themen einfach mal innehalten und überprüfen, ob man nicht eine Kleinigkeit findet, die man verbessern kann: nachhaltigerer Umgang mit Gegenständen, weniger Plastik oder Benzin verbrauchen, mal mit der Bahn fahren anstatt zu fliegen oder die nächsten fünf Onlinekäufe bündeln statt jeden Tag ein Paket kommen zu lassen. Und ganz besonders: an die zuständigen Politiker und Politikerinnen schreiben oder bei der nächsten Wahlveranstaltung mal nachfragen, was sie jeweils für den Klimaschutz tun.

Wie passen Raumfahrt und Klimaschutz zusammen?

Viele Astronauten und Astronautinnen setzen sich nach ihrer Rückkehr für den Klimaschutz ein. Ich denke, der Blick aus der Raumstation auf unseren Planeten und besonders auf die vergleichsweise sehr dünne Atmosphäre ist etwas so Besonderes, dass man gar nicht anders kann, als den Planeten schützen zu wollen. Piers Sellers, ein Biometeorologe, hat sich in seinen letzten Lebensmonaten dafür entschieden, sich für den Klimaschutz einzusetzen.

Sie könnten die erste deutsche Astronautin im All werden. Wann hat die Ausbildung begonnen und was haben Sie bisher gemacht?

Richtig los ging’s im Sommer 2017. Da waren wir im Sternenstädtchen, dem bekannten Kosmonauten-Trainingszentrum nahe Moskau. Wir haben beispielsweise eine Einführung in die Sojus-Kapsel bekommen. In der Zentrifuge und bei Parabelflügen durften wir erste Einblicke erhalten, was körperlich noch alles auf uns zukommt. Dieses Jahr geht das Training mit Tauchschein, Flugschein und Russischlernen weiter.

Wann fällt die Entscheidung, wer von Ihnen beiden zur ISS fliegt?

Sobald der Flug feststeht, beginnt das missionsspezifische Training. Dann wird sicherlich auch festgelegt, wer letztendlich fliegen soll.

Mit wem fliegen Sie, mit Russland oder den USA?

Gespräche finden sowohl mit russischen als auch amerikanischen Anbietern statt.

Warum hat man eine Crowdfunding-Kampagne gestartet, um die erste deutsche Astronautin ins All zu schicken, und ist nicht etwa über die ESA gegangen?

Die ESA hatte ihr letztes offizielles Auswahlverfahren 2008. Seitdem gibt es keine Möglichkeit mehr, sich extern zu bewerben.

Im All wären Sie dann die Meteorologin im Team. Welche Ziele hat die Mission?

Wir werden einige wissenschaftliche Experimente durchführen, zum Beispiel um zu erforschen, wie der weibliche Körper auf die Schwerelosigkeit oder auch die erhöhte Strahlenbelastung reagiert. Hierzu liegen in Deutschland noch keine Daten vor. Und natürlich soll die Mission Frauen und Mädchen für technische Berufe und ein naturwissenschaftliches Studium begeistern.

Ist dies auch ein Anliegen von Ihnen?

Sie werden für viele Mädchen und junge Frauen sicherlich ein Vorbild sein. Es ist mir ein großes Anliegen, aufzuzeigen, dass sich einiges ändern muss, damit Mädchen und junge Frauen gar nicht mehr extra für die Wissenschaft begeistert werden müssen, sondern einfach jedes Kind mit den eigenen Vorlieben und Fähigkeiten gesehen und gefördert wird. Zum jetzigen Zeitpunkt sehe ich uns aber in einer Gesellschaft, die weiterhin besonders kleinen Kindern klassische Rollenaufteilungen vorlebt . Das fängt ja schon im Bücherregal an.

Wie viele Frauen waren bei Ihrem Studienfach Meteorologie unter den Studierenden?

In meinem Jahrgang waren es sechs von sieben Im gesamten Studiengang etwa 50 Prozent.

2015 gewannen Sie den Bonner Science Slam. Auch dabei geht es um die Förderung junger Frauen. Wie haben Sie Ihr Slam-Talent entdeckt?

Ich fand Slams immer spannend. Es ist ein interessantes Format, die eigene Arbeit einem anderen Publikum vorzustellen. Das hat mich fasziniert und ich habe mich gefragt, ob das auch mit meinem Thema geht. Es war definitiv aufwendig, aber hat so viel Spaß gemacht, dass ich es sehr empfehlen kann.

Vielen Kinder träumen davon, später Astronaut _in zu werden. Wie war das bei Ihnen?

Mein Vater ist Astronaut. Somit habe ich einen sehr besonderen Bezug zu diesem Beruf. Bei mir selbst formte sich der Wunsch bei einem Familienurlaub in den Bergen. Ich war damals neun Jahre alt und mein Vater zeigte mir die Andromeda-Galaxie.

Am Ende wird nur eine von Ihnen beiden ins All fliegen. Was passiert, wenn Sie am Ende nicht ausgewählt werden? Sie wären sicher enttäuscht.

Mich reizt am Beruf einer Astronautin nicht nur der Aufenthalt auf der Raumstation, sondern eben auch das jahrelange Training im Vorfeld. Ich darf nicht nur einen Flugschein machen, sondern werde auch noch körperlich und geistig an meine eigenen Grenzen gebracht. Trainieren dürfen wir beide bis zum Start der Mission. Die nächsten Jahre werden also so oder so spannend. Und ich habe auch nichts dagegen, als zweite deutsche Frau ins All zu fliegen.

Worauf freuen Sie sich am meisten im All?

Auf die sicherlich sehr intensive Zeit. Der Tag ist gut gefüllt mit einem Wechsel aus wissenschaftlichen Experimenten, Sport und natürlich auch Routinearbeiten an der Raumstation. Jede_ r Astronaut _in darf einen persönlichen Gegenstand mit ins All nehmen.

Was würden Sie wählen?

Meine Kinder geben mir auf Dienstreisen immer ein Kuscheltier mit, das Fotos und kleine Sprachnachrichten vom Erlebten nach Hause schickt. Das würde ich sicherlich auch bei einem Aufenthalt auf der ISS so handhaben.

Vita

Insa Thiele-Eich wurde 1983 in Heidelberg geboren. Sie ist Meteorologin und wissenschaftliche Koordinatorin am Meteorologischen Institut der Universität Bonn. In ihrer Doktorarbeit analysierte sie die Auswirkungen des Klimawandels auf Überschwemmungen in Bangladesch. Schon ihr Vater, Gerhard Thiele, war Astronaut und flog 1999 ins All. Insa Thiele-Eich ist Mut ter von zwei Kindern und lebt in Königswinter bei Bonn. In ihrer Freizeit läuft, klettert und fotografiert sie gern.

Karin Fleissner
Pressesprecherin