Diskussion des Inklusionsbegriffs

Definition, Diskussion und Auseinandersetzung mit dem Begriff Inklusion im Kontext der Jugendarbeit in Bayern

Definition

Jeder Mensch hat ein Recht auf ein selbstbestimmtes Leben und alle Mitglieder der Gesellschaft müssen gleichermaßen mitgestalten können. Inklusion geht von einem ganzheitlichen Menschenbild aus und ein Individuum wird nicht auf ein Merkmal reduziert oder einer Gruppe zugeschrieben. Inklusion versucht also nicht, einen Menschen zur Teilhabe zu befähigen, sondern gestaltet Strukturen so, dass jeder gleichwertig und gleichberechtigt von Anfang an teilhaben kann.

Inklusion beschreibt als Ziel eine Gesellschaft, in der Teilhabe von Anfang an für alle Mitglieder selbstverständlich ist, ungeachtet der unterschiedlichen Merkmale. Gleichzeitig beschreibt Inklusion den Prozess, der zur Zielerreichung notwendig ist und der ein hohes Maß an Reflexion und Sensibilisierung beinhaltet. Inklusion kann nur gelingen, wenn sie auf allen gesellschaftlichen Ebenen gewollt ist, die Zugänge zur Gesellschaft kritisch hinterfragt und Rahmenbedingungen zur Teilhabe geschaffen werden.

Allgemeines Verständnis/Kritik

Der Begriff der Inklusion bezieht sich im deutschen Sprachgebrauch auf Menschen mit einer Behinderung und grenzt sich zur Integration von Menschen mit Migrationshintergrund ab. Dabei wird übersehen, dass Inklusion und Integration unterschiedliche Konzepte mit verschiedenen Zielrichtungen darstellen und sich im Grunde jeweils an alle Teile einer Gesellschaft richten. So wird Inklusion in diesem Zusammenhang oftmals nicht in der Teilhabe von Anfang an verstanden, sondern in der Anpassung von einem Menschen mit einer Behinderung an die bestehenden Strukturen. Wie stark sich ein bestimmtes Merkmal auf den Zugang zu Ressourcen und Teilhabe auswirkt, hängt von der Gesellschaft und ihren Regeln ab. Behinderung ist somit sozial konstruiert. Somit sind auch Barrieren gesellschaftlich geschaffene Hindernisse und können beseitigt werden. Ohne Barrierefreiheit ist auch keine Inklusion möglich. Akzeptiert man, dass Vielfalt in der Gesellschaft selbstverständlich ist und verschiedene Menschen auch verschiedene Merkmale mitbringen, die mehr oder weniger begünstigend oder limitierend wirken können, so wird schnell deutlich, dass es auch verschiedene Barrieren gibt. Um diese zu erkennen, kann es hilfreich sein, Merkmale zusammenzufassen und gezielt zu betrachten.

In diesem Sinne kann bei Barrierefreiheit zunächst die Abschaffung von Hürden für Menschen mit einer Behinderung im Fokus stehen. Hierbei wird Barrierefreiheit oft auf bauliche Aspekte, wie zum Beispiel Rampen und Aufzüge reduziert. Der Begriff der Barrierefreiheit geht aber noch weiter: zum Beispiel gehören die Aufbereitung der Informationen und die Kommunikation in Leichter Sprache genauso zu einer barrierearmen Umwelt, wie die oben beschriebenen baulichen Maßnahmen. Auch der allumfassende Grundgedanke sollte dabei nicht aus den Augen geraten. Andere Merkmale können ebenso dazu führen, dass Zugänge erschwert und Barrieren zu überwinden sind: Geschlecht, Hautfarbe, Bildung, Armut etc.

Empfehlungen für die Jugendarbeit

Die Auseinandersetzung mit dem Inklusionsbegriff ermöglicht Chancen für die Entwicklung und den Wandel des Gesellschaftssystems. Durch eine älter und vielfaltiger werdende Gesellschaft sind alle auf eine barrierearme Umwelt angewiesen. Je früher Inklusion verinnerlicht und gelebt wird, desto einfacher wird das gesellschaftliche Zusammenleben auf Augenhöhe. Inklusion kann gelingen, wenn sich bewusst mit dem Thema auseinandergesetzt und darüber offen kommuniziert wird. Ein Mensch, der aufgrund eines Merkmals auf Barrieren trifft, ist Expert:in in eigener Sache und muss als solche:r gesehen und einbezogen werden. Gleichberechtige Zugänge zu Angeboten und Ressourcen müssen ermöglicht werden und jede:r sollte die Möglichkeit haben, diese aktiv mitzugestalten. Die Identität der:des Einzelnen muss gewahrt und die Kompetenzen gefördert werden. Zusammengefasst sind dies die wichtigen Schritte, um Inklusion in die Praxis umzusetzen und sie zu leben.

Die Kinder- und Jugendarbeit schafft ein großes Potential für die inklusive Entwicklung in der Gesellschaft: „Sie arbeitet konzeptionell lebenswelt- wie subjektorientiert. Sie stellt die Interessen und Ressourcen von Kindern und Jugendlichen in den Mittelpunkt. So ist Vielfalt präsent. Sie baut auf das freiwillige Engagement junger Menschen, sie verfügt über ein weites Netz von ehrenamtlich wie hauptberuflich Tätigen wie über Räumlichkeiten.“ In der Kinder- und Jugendarbeit sind vor allem die aktive Mitgestaltung und das freiwillige Engagement essentiell. Jede:r muss die Möglichkeit haben, politisch zu partizipieren und ihre:seine Belange zum Ausdruck bringen zu können.

Internationaler Kontext

Im Ländervergleich ist Inklusion ein weiterer Begriff und eine klare Abgrenzung ist nicht wie in Deutschland direkt gegeben. Im Zusammenhang mit Inklusion stehen häufig „awareness“, „empowerment“ und „participation“. In Deutschland hingegen wird der Inklusionsbegriff oft nur im Bildungsbereich thematisiert und diskutiert. In diesem Kontext wird der Begriff der Integration zur Inklusion abgegrenzt. Menschen mit Fluchterfahrung und Migrationshintergrund werden unter dem Begriff Integration zusammengefasst und Inklusion bezieht sich auf Menschen mit Behinderung.

Ansprechperson

Hélène Düll
sie/ihr
Referentin für Integration und interkulturelle Jugendarbeit