Wie Bildung für nachhaltige Entwicklung die nötigen Kompetenzen dafür vermittelt, die Erde für zukünftige Generationen zu erhalten
Der Klimawandel wird zunehmend spürbar und schreitet weiter voran. Und so wird das Konzept der Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) von Jahr zu Jahr wichtiger. Unser Autor erläutert, was darunter zu verstehen ist und wieso die Jugendarbeit dabei eine zentrale Rolle spielt
Text von Jan v.u.z. Egloffstein
Der Begriff „Bildung für nachhaltige Entwicklung“ (BNE) wurde im Jahr 1992 auf der UN-Umweltkonferenz von Rio de Janeiro geprägt. Er beschreibt eine Bildung, die den Menschen zukunftsfähiges Denken und Handeln erlaubt, damit sie die Zukunft in einer globalisierten Welt aktiv, eigenverantwortlich und verantwortungsbewusst gestalten können. Dabei geht es insbesondere darum, die drei Dimensionen Umwelt, Gesellschaft und Wirtschaft in all ihrer jeweiligen Komplexität und ihren gegenseitigen Abhängigkeiten zu verknüpfen. Junge Menschen sind von den Folgen des Klimawandels, des Biodiversitätsverlustes und anderer globaler Fehlentwicklungen besonders betroffen, allein schon aufgrund der Lebensspanne, die ihnen noch verbleibt. Gleichzeitig sind die jungen Menschen von heute vielleicht die letzte Generation, die noch Einfluss nehmen kann, bevor globale Kipppunkte unumkehrbar überschritten und Kaskadeneffekte gewaltigen Ausmaßes ausgelöst werden. Wer über BNE spricht, muss daher zwangsläufig auch über junge Menschen sprechen, vor allem aber mit ihnen. Nicht umsonst benennt das Weltaktionsprogramm BNE, das die Vereinten Nationen für die Jahre 2015 bis 2019 im Anschluss an die UN-Dekade BNE (2004 bis 2014) ausgerufen haben, junge Menschen als besonders wichtige Akteure des Wandels und macht die Stärkung und Mobilisierung der Jugend zu einem von fünf prioritären Handlungsfeldern: „Junge Menschen sollen dazu befähigt und ermutigt werden, sich für eine nachhaltige Gestaltung ihrer Zukunft zu engagieren.“ Diese Befähigung wird im Kontext von BNE auch als Gestaltungskompetenz beschrieben. Sie gliedert sich in zwölf Teilkompetenzen und umfasst neben der Sach-, Methoden- und Sozialkompetenz auch die Selbstkompetenz. So sollen BNEAkteure zum Beispiel Risiken, Gefahren und Unsicherheiten erkennen und abwägen, Zielkonflikte bei der Reflexion über Handlungsstrategien berücksichtigen sowie Vorstellungen von Gerechtigkeit als Entscheidungs- und Handlungsgrundlagen nutzen können. Das Prinzip der Gestaltungskompetenz fußt darüber hinaus auf der Vorstellung von einem lebenslangen Lernen, das nicht nur auf den formalen Bildungsbereich beschränkt ist. So misst das Weltaktionsprogramm BNE dem Bereich des nonformalen und informellen Lernens besondere Bedeutung zu und setzt den Fokus bewusst auf die Jugend.
Sie hat mit Blick auf BNE bessere Voraussetzungen als die vorherigen Generationen. Im Zusammenhang mit nachhaltiger Entwicklung ist oftmals auch vom Bewusstseinswandel die Rede, den es braucht, damit wir erkennen, dass unsere Ressourcen nicht unendlich sind, wir weit über unsere Verhältnisse leben und es eben keinen Planeten B gibt. Das ist in erster Linie ein Problem von Erwachsenen. Bei ihnen müssen häufig erstmal Vorurteile, Überzeugungen und Bequem- DER AUTOR Jan v.u.z. Egloffstein ist Referent für Förderwesen und Bildung für nachhaltige Entwicklung beim BJR FOTO DJH Bayern lichkeiten überwunden werden, bis sie bereit sind, gewohnte Verhaltensweisen zu überdenken und im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung zu ändern. Insbesondere für junge Menschen gilt hingegen, dass sie, bei entsprechenden Rahmenbedingungen, frühzeitig Wissen aufbauen, interdisziplinär Erkenntnisse gewinnen und durch die Partizipation an Entscheidungsprozessen eigene Einflussmöglichkeiten erkennen und nutzen können. Aktuelle Jugend- und Trendstudien bescheinigen jungen Menschen regelmäßig ein starkes Interesse und Engagement für Nachhaltigkeitsthemen. Gleichzeitig warnen Fachleute davor, dass Krisen wie beispielsweise der Klimawandel, die Corona-Pandemie und der Krieg in der Ukraine vor allem bei jungen Menschen ein Gefühl von Hilflosigkeit, Angst und Ohnmacht hervorrufen können. Umso wichtiger ist es deshalb, ihnen den Erwerb wichtiger Kenntnisse und Fähigkeiten zu ermöglichen, um sie als wichtige Akteure von heute und als Entscheider von morgen zu stärken.
Beim Thema Bildung denkt man oft vor allem an Schule, Ausbildung und Studium. So wichtig dieser formale Bildungsbereich auch ist, so dient er doch in erster Linie der Qualifizierung für den Arbeitsmarkt. Für eine umfassende BNE ist jedoch der nonformale und informelle Bildungsbereich von besonderer Bedeutung. Außerhalb schulischer Räume bietet vor allem auch die Jugendarbeit mit ihren Prinzipien Offenheit, Freiwilligkeit, Niedrigschwelligkeit, Bedürfnis- und Lebensweltorientierung sowie Partizipation viele Möglichkeiten für junge Menschen, sich auszuprobieren, eigene Ideen zu entwickeln und umzusetzen, aus Erfahrungen zu lernen und Selbstwirksamkeit zu erfahren. Die zunehmende zeitliche Vereinnahmung junger Menschen durch Ganztagsschule, G8 sowie verkürzte und komprimierte Studien- und Ausbildungsgänge erschwert es allerdings in vielen Fällen, unverzweckte zeitliche und örtliche Räume für junge Menschen zu erhalten, in denen sie auch außerhalb von Schule, Betrieb oder Universität BNE erfahren können.
Junge Menschen bleiben auch heutzutage nicht ewig jung: Obwohl die Jugendphase inzwischen deutlich länger dauert als noch vor 30 Jahren, junge Menschen oft erst später ins Berufsleben einsteigen und bis dahin mehr Freiheiten haben als früher, kommt es beim Übergang in neue Lebensphasen auch bei ihnen häufig zu Brüchen und Veränderungen. Das kann vor allem bei längeren Beteiligungsprozessen eine Herausforderung sein, zum Beispiel wenn junge Menschen, die erst vor kurzem im Gemeinderat voller Elan ihr Konzept für eine nachhaltige Dorfentwicklung präsentierten, nicht mehr greifbar sind, weil sie 300 Kilometer entfernt studieren oder eine Familie gründen und sich Umstände, vielleicht auch Prioritäten bei ihnen verändern. Manchmal heißt es dann, auf die jungen Leute sei kein Verlass, sie seien unstet und wüssten nicht, was sie wollten. Dabei ist es wichtig, dass jede Generation ihre eigenen Erfahrungen macht und gerade in der Jugendphase eben auch diejenigen Kompetenzen erwirbt, die für den großen Wandel hin zu einer nachhaltigen Entwicklung nötig sind.
Die Digitalisierung eröffnet dafür Chancen. Neben dem in der Agenda 2030 mit ihren 17 Sustainable Development Goals beschriebenen Ziel einer nachhaltigen Entwicklung stellt die Digitalisierung einen großen und wichtigen Transformationsprozess dar mit Folgen für den gesamten Planeten und vor allem auch für junge Menschen. Es ist wichtig, diese beiden Prozesse zusammenzudenken und die Möglichkeiten zu nutzen, die sich hier bieten. Junge Menschen sind als Digital Natives mit dem Bewusstsein aufgewachsen, dass die Welt vernetzt ist, und können die Auswirkungen unseres Handelns beispielsweise über Social Media auch in weit entfernten Regionen der Welt sehen. Anders als noch vor 30 Jahren besteht die größte Herausforderung heute nicht mehr darin, Wissen und Erkenntnisse zum Beispiel über den Klimawandel zu gewinnen. Wir haben auf unseren Smartphones Zugang zu einem großen Teil des weltweiten Wissens. Die wichtigste Aufgabe liegt aktuell darin, junge Menschen mit den dazu erforderlichen Kompetenzen auszustatten, die es ihnen ermöglichen, das viele Wissen anzuwenden, um den Planeten Erde als Lebensgrundlage für jetzige und zukünftige Generationen zu erhalten. Und dafür ist BNE eine zentrale Herausforderung – nicht nur, aber auch in der Jugendarbeit.