19.03.2018

Gleichberechtigte Teilhabe von jungen Menschen mit 
Migrationshintergrund

Die Delegierten der 152. Vollversammlung des Bayerischen Jugendrings setzen sich in den fünf Themenfeldern des Beschlusses mit Forderungen zur gleichberechtigten Teilhabe junger Menschen mit Migrationshintergrund auseinander.

Teilhabe beinhaltet die Möglichkeit auf bestehende Systeme und Rahmenbedingungen Einfluss zu nehmen und innerhalb dieser Verantwortung übernehmen zu können. Die bayerische Jugendarbeit begreift Zuwanderung als Chance und setzt sich für eine aktive Gestaltung von Integration ein. Die bayerische Staatsregierung und ihre Organe werden wie auch schon im Beschluss des 137. BJR-Hauptausschusses „Kulturelle Vielfalt in Bayern – Potentiale entwickeln und fördern" aufgefordert, alles zu tun, um den integrativen Zusammenhalt unserer Gesellschaft zu bewahren und weiter auszubauen. Oberstes Ziel ist eine gleichberechtigte Teilhabe aller jungen Menschen an Politik, Bildung und Gesellschaft – unabhängig ihrer Herkunft oder Religion. 

Laut Bildungsbericht 2016 von Bund und Ländern ist der Anteil an Menschen mit Migrationshintergrund in den letzten zehn Jahren deutlich gestiegen. Bei den 10- bis unter 20-Jährigen stieg er auf 30 Prozent und bei den unter 10-Jährigen auf 35 Prozent der Bevölkerung, in manchen Ballungsräumen sogar auf nahezu 50 Prozent. Dieser Anteil ist jedoch nicht in allen gesellschaftlichen Bereichen wiederzufinden. Immer noch spielen ausgrenzende Mechanismen eine große Rolle im Leben und in der Perspektivenentwicklung junger Menschen mit Migrationshintergrund, die täglich Ausgrenzung und Diskriminierung erfahren. Auch wenn sie in Deutschland leben, lernen und arbeiten, wird ihnen der Zugang zu relevanten gesellschaftlichen Bereichen zumindest erschwert, wenn nicht sogar verwehrt. Hier müssen dringend Gegenmaßnahmen ergriffen werden. 

Folgende Quellen wurden bei der Erstellung dieses Forderungspapiers herangezogen: Bertelsmann Stiftung: Armutsentwicklung, bpb: Sozialbericht 2013, Bildungsbericht 2016: Schwerpunktthema Bildung und Migration, Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung und Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung: Diskriminierung am Arbeitsmarkt, Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration 2014, einschlägige Beschlüsse des Hauptausschusses des BJR sowie die Expertise folgender Vereine junger Menschen mit Migrationshintergrund (VJM) im BJR: Assyrischer Jugendverband Mitteleuropa (AJM-Bayern), Bund der Alevitischen Jugendlichen in Bayern e.V. (BDAJ-Bayern), DIDF-Jugend Bayern, DITIB Jugend Bayern, Islamische Jugend Bayern (IJB) und IDIZEM Jugend.

Es wurden fünf Themenfelder definiert, die für junge Menschen mit Migrationshintergrund besonders bedeutend sind und in denen folgende Forderungen gestellt werden:

1. Senkung der Hürden für eine Wahlbeteiligung und doppelte Staatsbürgerschaft

Partizipation und demokratisches Bewusstsein bedeuten, dass Menschen dort, wo sie leben, mitsprechen und mitgestalten können. Dazu stellt der BJR im „Positionspapier zur Europäischen Jugendpolitik“ des 147. Hauptausschusses fest: „Echte Partizipation bedeutet einen respektvollen Umgang auf gleicher Augenhöhe, ein Ernstnehmen des Gegenübers und vor allem die Möglichkeit der tatsächlichen Veränderung der Politik durch die Beteiligten.“ Junge Menschen mit Migrationshintergrund möchten die Gesellschaft, in der sie leben, lernen und arbeiten, aktiv mit den demokratischen Möglichkeiten mitgestalten und ihre Verantwortung als Bürger und Bürgerinnen wahrnehmen. Es ist daher schwer nachvollziehbar, dass die Regelungen für EU-Bürger_innen, Nicht-EU-Bürger_innen und Bürger_innen der Schweiz uneinheitlich sind. Die Unterscheidungen erscheinen willkürlich und stellen eine Diskriminierung der Nicht-EU-Bürger_innen dar, die zwar die gleichen Pflichten, nicht aber die gleichen Rechte erhalten. Bereits der 142. Hauptausschuss des BJR forderte die Staatsregierung auf, sich für die Schaffung der rechtlichen und tatsächlichen Rahmenbedingungen einzusetzen, sodass alle sich rechtmäßig in Deutschland aufhaltenden Nicht-EU-Bürger_innen  wie EU-Bürger_innen  das kommunale Wahlrecht erhalten (vgl. Beschluss „Einführung eines Kommunalwahlrechts für Nicht-EU-Bürger_innen“). 

Über das kommunale Wahlrecht hinaus fordert die bayerische Jugendarbeit die Staatsregierung auf, alles zu tun, um allen in Bayern lebenden jungen Menschen den gleichen Zugang zur politischen Beteiligung insbesondere im Rahmen der Landtagswahlen zu ermöglichen. Auch die nationale und internationale Migrationsforschung kommt zu dem Ergebnis, dass das Wahlrecht für alle ein wichtiger Grundstein der Integration ist und die Demokratie stützt, wie Prof. Dietrich Thränhardt, Falk Lämmermann und Swantje Falcke in einer Analyse der deutschen Einbürgerungspolitik der Friedrich-Ebert-Stiftung betonen.

Als Voraussetzung für Wahlen gilt die deutsche Staatsbürgerschaft, deren Erlangung durch eine Vielzahl an Voraussetzungen erschwert wird. So ist schwer nachvollziehbar, dass die Erlangung der deutschen Staatsbürgerschaft teilweise weiterhin vom Besitz anderer Staatsbürgerschaften abhängig ist. Da die Regelungen zum Austritt aus einer Staatsbürgerschaft in den verschiedenen Ländern sehr unterschiedlich ausgestaltet sind, sollte dies keinen Einfluss auf die deutsche Staatsbürgerschaft haben. Politik muss sich an dieser Stelle die Frage stellen, wie sie dazu beiträgt, jungen Menschen mit Migrationshintergrund politische Teilhabe und Verantwortung zu ermöglichen.

Der Bayerische Jugendring fordert:

  • Kommunal- und Landeswahlrecht für alle mit ordentlichem Wohnsitz in Deutschland
  • die Ermöglichung einer doppelten Staatsbürgerschaft, unabhängig von der EU-Zugehörigkeit

2. Schule, Ausbildungs- und Arbeitsmarkt

Schule

Weithin bekannt und seit Jahren durch Pisa-Studien und auch dem Bildungsbericht 2016 dokumentiert ist, dass der Anteil der Jugendlichen mit Migrationshintergrund an Mittelschulen wesentlich höher ist als der Anteil der Jugendlichen ohne Migrationshintergrund, während er an Gymnasien erschreckend gering ist. Junge Menschen mit Migrationshintergrund erzielen im Vergleich wesentlich öfter geringere Schulabschlüsse. Jugendliche mit Migrationshintergrund sind insgesamt mehr und höheren Risikolagen für eine erfolgreiche Bildung ausgesetzt als Jugendliche ohne Migrationshintergrund. Die familiären Voraussetzungen, die ökonomische Situation und Bildungssituation sind nach wie vor wesentlich für den schulischen Erfolg der Kinder. Familiäre Armut darf sich nicht weiter ständig reproduzieren. Das Grundproblem ist dabei der Zusammenhang zwischen Armut und Bildungschancen, der gelöst werden muss. Solange diese Spirale aus Armut und geringer Bildung besteht, braucht es tragfähige Konzepte zur gezielten Förderung von jungen Menschen mit Migrationshintergrund beim Erreichen höherer Abschlüsse und eine gezielte Vermittlung in höhere Schulen. Durch Stipendien kann ihnen eine qualifizierte Bildung ermöglicht werden.

Junge Menschen mit Migrationshintergrund wachsen oft mit einer weiteren Sprache auf, die sie auf hohem Niveau sprechen. Diese Kompetenz wird im bayerischen Schulsystem nicht in allen Schulformen anerkannt. Aktuell werden lediglich einige wenige Sprachen als erste und zweite Fremdsprache angeboten. Da Schüler_innen zur Erlangung der Hochschulreife Kenntnisse in mindestens zwei Fremdsprachen nachweisen müssen, die Sprachkenntnisse der Jugendlichen mit Migrationshintergrund aber nicht anerkannt werden, entsteht ihnen ein nicht nachvollziehbarer Nachteil. Daher sollte der Katalog der zweiten Fremdsprachen, die zur Erlangung der Allgemeinen Hochschulreife gefordert werden, um weitere relevante Sprachen erweitert werden. 

Der Bayerische Jugendring fordert:

  • mehr Stipendien für junge Menschen mit Migrationshintergrund einzurichten und zu vergeben sowie bestehende Richtlinien unter den Gesichtspunkten der Diversität zu korrigieren
  • das Spektrum an möglichen Sprachen, die als Zweitsprache zur Erlangung der Allgemeinen Hochschulreife erforderlich sind, um weitere relevante Sprachen zu erweitern 
Ausbildungs- und Arbeitsmarkt

Wie Menschen mit Migrationshintergrund am Arbeitsmarkt sowie bei Ämtern und Behörden diskriminiert werden, beschreibt eine Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) und des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) sowie der zweite Bericht der Antidiskriminierungsstelle des Bundes. Unabhängig von Bildung, Einkommen und Status sind Menschen mit Migrationshintergrund doppelt so oft von Arbeitslosigkeit betroffen wie Menschen ohne Migrationshintergrund, mit signifikanten Schwankungen bei den verschiedenen Herkunftsländern. Auch sind Menschen mit Migrationshintergrund häufiger in prekären Arbeitsverhältnissen beschäftigt. Jugendliche wählen häufiger einfache Ausbildungsberufe, auch jene, die die Voraussetzungen für eine Akademiker_innenlaufbahn hätten. Sie müssen im Durchschnitt mehr Bewerbungen verschicken, bis sie zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen werden. 

Zu vergleichbaren Ergebnisse kommt auch der Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration. Dieser hat 2014 die Studie „ Diskriminierung am Ausbildungsmarkt: Ausmaß, Ursachen und Handlungsperspektiven“ veröffentlicht. Zentrale Ergebnisse der Studie bestätigen, dass der deutsche Name die Wahrscheinlichkeit einer Rückmeldung signifikant erhöht. Bewerber_innen mit deutschem Namen haben eine um 17 Prozent höhere Wahrscheinlichkeit, eine Rückmeldung auf ihre Bewerbung zu erhalten als Bewerber_innen mit einem türkischen Namen. Außerdem reden Unternehmen die Bewerber_innen unterschiedlich an. Während sie die Bewerber_innen mit deutschen Namen bei der Rückmeldung auf ihre Bewerbung eher mit Nachnamen adressieren, wurden Bewerber mit einem türkischen Namen häufiger geduzt und mit Vornamen angeredet. Auch der Bericht „Diskriminierung im Bildungsbereich und im Arbeitsleben“ der Antidiskriminierungsstelle des Bundes aus dem Jahr 2013 bestätigt, dass junge Menschen mit Migrationshintergrund am Ausbildungsmarkt vielen Diskriminierungen ausgesetzt sind. Ausländische Berufsabschlüsse werden oft nicht anerkannt. Teilweise werden von den Bewerbern sachlich nicht gerechtfertigte Voraussetzungen für die Stelle verlangt. Der Anteil der Erwerbstätigen mit Migrationshintergrund liegt deutlich hinter dem der deutschen Erwerbstätigen (64 zu 78,2 Prozent), insbesondere im öffentlichen Sektor.  

Durch anonymisierte Bewerbungsverfahren werden die Qualifikationen und Kompetenzen in den Mittelpunkt gestellt. Dies erhöht die Chance für Jugendliche mit Migrationshintergrund, zu einem persönlichen Gespräch eingeladen zu werden, erheblich. In diesem Zuge ist auch eine anonymisierte Form der Prüfungen und eine Beurteilung durch Nummernvergabe vorstellbar, indem z.B. einer Jury aus Lehrer_innen die Leistungen ohne Namen zur Bewertung für den Gymnasialübertritt vorgelegt werden. 

Im Jahr 2017 wendeten sich vermehrt Jugendliche aus Mitgliedsverbänden an den BJR, weil sie durch ihr Engagement Diskriminierung erfahren. So berichten sie, dass sie in Bewerbungsgesprächen aufgefordert werden, ihre Mitgliedschaft im Jugendverband aufzulösen. Einige befürchten schlechtere Chancen auf dem Arbeitsmarkt, wenn ihre Mitgliedschaft bekannt wird. Als Konsequenz trauen sich viele engagierte Jugendliche nicht, sich in ihrem Jugendverband verantwortlich einzusetzen. Ehrenamtliches Engagement in der Jugendarbeit darf sich nicht negativ auf Bewerbungen auswirken, sondern muss als Qualifikation anerkannt werden. Da dies besonders muslimische Jugendliche erleben, erinnern wir an dieser Stelle an den Beschluss des 149. Hauptausschusses „Islamfeindlichkeit entgegenwirken und den Islam gesellschaftlich anerkennen“, in dem gezielte Maßnahmen zur Bekämpfung von Diskriminierung religiöser Minderheiten in allen Lebensbereichen gefordert werden. Dabei geht es auch darum, den Diskurs zu gestalten und das verzerrte Bild des Islam zu korrigieren, über den Islam aufzuklären und ein Wir-Gefühl zu entwickeln.

Der Bayerische Jugendring fordert:

  • die Förderung der Vermittlung junger Menschen mit Migrationshintergrund mit geeigneter Qualifikation in höhere Ausbildung und Berufe durch Arbeitsagenturen voranzutreiben
  • die Anerkennung von ausländischen Bildungs- und Berufsabschlüssen zu vereinfachen
  • anonyme Bewerbungsverfahren am Arbeits- und Ausbildungsmarkt sowie anonymisierte Beurteilungs- und Prüfungsverfahren an Schulen und Universitäten einzuführen und umzusetzen 
  • verbindliche Leitlinien für Bewerbungsgespräche und Anforderungsprofile mit einem für Vielfalt sensiblen Sprachgebrauch zu entwickeln 
  • Diskriminierungen bei der Ausbildungs- und Arbeitsaufnahme aufgrund des ehrenamtlichen Engagements in der Jugendarbeit zu unterbinden und dazu geeignete Maßnahmen durchzuführen. Ehrenamt muss als Qualifikation anerkannt werden!

3. Erhöhung der interkulturellen Sensibilität in der öffentlichen Verwaltung sowie im pädagogischen und schulischen Bereich

Die vielfältigen Benachteiligungen junger Menschen mit Migrationshintergrund wurzeln oft in mangelnder interkultureller Sensibilität, sowohl in der öffentlichen Verwaltung als auch beim pädagogischen Personal und den Lehrkräften. Dies bestätigt auch der Bildungsbericht 2016. Die Menschen in Schlüsselpositionen, die über den Zugang zu einer Ausbildung entscheiden, gehen häufig davon aus, dass ausländische Jugendliche nur über unzureichende Deutsch-kenntnisse verfügen und große schulische Defizite haben. Faktoren wie Leistungsmotivation und Zuverlässigkeit werden verallgemeinert. Diskriminierungserfahrungen werden hier sowohl von Menschen mit Migrationshintergrund der ersten Generation als auch der zweiten und dritten Generation beschrieben.

Um den Missständen entgegenzutreten, ist es dringend notwendig, eine höhere interkulturelle Kompetenz und Sensibilität auf allen Ebenen der öffentlichen Verwaltung sowie im pädagogischen und schulischen Bereich durch entsprechende Ausbildung, Qualifizierungen und Schulungen herzustellen. Durch eine höhere interkulturelle Sensibilität kann der Blick von individuellen Zuschreibungen weg auf die Verbesserung von Rahmenbedingungen hin gewendet werden. Durch entsprechende Programme könnten so bei den Berufsberatungen der Arbeitsagenturen und in den Schulen höhere Abschlüsse bei Jugendlichen mit Migrationshintergrund sowie die Vermittlung in höher gestellte Berufe gefördert werden. 

Eine entsprechende Besetzung der Schlüsselstellen mit Menschen mit Migrationshintergrund bildet hier wichtige Brücken. 

Der Bayerische Jugendring fordert:

  • Richtlinien und Konzepte für eine diskriminierungsfreie Bildung an Kindertagesstätten, Schulen und Hochschulen verbindlich einzuführen und deren Umsetzung zu befördern 
  • interkulturelle Sensibilisierung als festen Bestandteil in der Ausbildung von Fachkräften der öffentlichen Verwaltung sowie in der Ausbildung des pädagogischen Personals einschließlich der Studiengänge einzuführen
  • Schulungen und Qualifizierungen zur Erhöhung der interkulturellen Sensibilität des bestehenden Personals und der Vorgesetzten in der öffentlichen Verwaltung verpflichtend einzuführen, besonders in den Jugendämtern, Schulämtern, Agenturen für Arbeit, Sozialämtern und Bürgerhäusern, Gerichtshilfen, Polizei sowie in den Verwaltungsreferaten, Landratsämtern, kommunalen Verwaltungen, Stadtplanungen etc. 
  • Schulungen und Qualifizierungen zur Erhöhung der interkulturellen Sensibilität der Fachkräfte im pädagogischen und schulischen Bereich verpflichtend einzuführen 
  • in Ministerien sollten die interkulturelle Qualifizierung und eine multikulturelle Stellenbesetzung selbstverständlich sein

Viele Menschen unterschiedlichen Glaubens sehen sich in ihrer freien Religionsausübung eingeschränkt und durch ihren Glauben in der Gesellschaft benachteiligt. Immer wieder geraten einzelne religiöse oder konfessionelle Gruppen ins Visier von Populist_innen und erleiden Anfeindungen, die sich auch auf andere Teile der Bevölkerung auswirken. Interkulturelle Sensibilität meint auch, sich der Vielfalt der Religionen und der ihnen zustehenden Freiheit bewusst zu sein, diese zu beschreiben und zu berücksichtigen.

Interkulturelle Sensibilität ist nicht nur bezüglich Ausbildung und Arbeit dringend notwendig. Immer wieder geraten Teile der Bevölkerung aufgrund eines Merkmals durch Maßnahmen der Politik und Verwaltung unter Generalverdacht. Sie werden in Folge dessen nicht gleichberechtigt behandelt, sondern sind einem höheren Maß an Kontrollen und Sanktionen ausgeliefert. Ganze Bevölkerungsgruppen können dadurch kriminalisiert werden. Dies erschwert wiederum den Zugang zu Ressourcen und Partizipationsmöglichkeiten. Hier besteht dringend Handlungsbedarf.

Der Bayerische Jugendring fordert:

  • Teil der interkulturellen Sensibilisierung ist auch die Kompetenz im Umgang mit der Vielfalt an Religionen und Glaubensrichtungen und den spezifischen Bedarfen zur gleichberechtigten Ausübung ihres Glaubens
  • Maßnahmen und Programme der Exekutiven sollen auf Diskriminierung und Ungleichbehandlung von Teilen der Bevölkerung geprüft und im Sinne der Gleichberechtigung korrigiert werden, beispielhaft sei hier das Racial Profiling genannt  

4. Regelmäßige Berichterstattung

Es existieren bereits vielfach regelmäßig durchgeführte Studien, die beispielsweise über den Bildungsstand der bayerischen Kinder und Jugendlichen oder der Situation am Ausbildungsmarkt berichten. Jedoch fehlt eine regelmäßige Betrachtung der Situation junger Menschen mit Migrationshintergrund, die in den verschiedenen Studien mal mehr, mal weniger berücksichtigt werden. Um eine konsequente Verbesserung ihrer Lebenssituation und Teilhabechancen in Bayern zu erreichen, ist es jedoch unverzichtbar, regelmäßig und zuverlässig über die aktuelle Situation informiert zu sein. Eine regelmäßige Berichterstattung wirkt in zwei Richtungen: zum einen reflektiert sie Handeln und kann dieses konsequent fortschreiben, zum anderen schafft sie durch die Darstellung von Programmen, Maßnahmen, Strategien und Erfolgen Vertrauen bei jungen Menschen mit Migrationshintergrund und erhöht damit die Motivation und Bereitschaft zur gesellschaftlichen und politischen Partizipation.

Der Bayerische Jugendring fordert:

  • einen regelmäßigen Bericht zur Situation junger Menschen mit Migrationshintergrund, beispielsweise durch den/die Integrationsbeauftragte_n, den Integrationsbeirat und/oder im Rahmen des Kinder- und Jugendberichts der Bundesregierung, abzugeben

5. Positive Narrative zu gelingender Integration 

Die Bevölkerung in Bayern wurde in den letzten Jahrzehnten zunehmend vielfältiger und pluraler. Die Integration ist in Bayern weit fortgeschritten. Dies ist in erster Linie Ausdruck der großartigen Integrationsleistung, welche die Menschen mit Migrationshintergrund in Bayern erbringen. Es ist aber auch das Ergebnis vielfältiger integrationspolitischer Maßnahmen. Dies erkannte der BJR auch in seiner Erklärung des 137. Hauptausschuss an. Eine besondere Rolle bei der Wahrnehmung und Meinungsbildung nehmen Berichterstattungen und Narrative ein. Diese beeinflussen die eigenen Haltungen. Es ist deshalb wichtig, von einem positiven Blick auf Integration auszugehen und über die großartige Integrationsleistung zu berichten. Der meist problem- und defizitorientierten Darstellung von Menschen mit Migrationshintergrund und von Menschen mit Fluchterfahrung sowie deren Integration in Deutschland müssen die positiven Erfahrungen gegenübergestellt werden, um so populistische Hetze unwirksam zu machen. Gerade Jugendarbeit hat hier ein sehr großes Potential mit vielen überaus engagierten jungen Menschen mit Migrationshintergrund. Ihnen ist eine Plattform zu bieten, um sich und ihr Engagement weithin bekannt zu machen. Dies gilt besonders im Zusammenhang mit jungen Geflüchteten. Hier braucht es eine konsequente, positive, öffentlichkeitswirksame Berichterstattung des erfolgreichen Engagements. 

Der Bayerische Jugendring fordert:

  • öffentlichkeitswirksam mehr positive Narrative und Geschichten von gelingender Integration darzustellen
  • bei Berichterstattungen sensibel mit Sprache und ihrer Wirkung umzugehen
  • mehr Gelegenheiten für die Darstellung der Jugendarbeit der VJM zu schaffen
  • durch entsprechende Maßnahmen zu einem positiven Bild gelingender Integration in der öffentlichen Wahrnehmung und insbesondere in der Jugendarbeit beizutragen
  • wo möglich den öffentlichen Diskurs positiv mitzugestalten und der populistischen Hetze bestimmt entgegenzutreten
Patrick Wolf
er/ihm
Büroleiter und Queer-Beauftragter