21.10.2023

Politische Forderungen zur Europawahl 2024

Die Delegierten der 163. BJR-Vollversammlung beschließen die folgenden Forderungen für die Europawahl 2024.

Europa für alle

Gleicher Zugang für Menschen mit Behinderung!

Inklusion ist laut UN-BRK ein Menschenrecht. Gesamtgesellschaftliche Teilhabe braucht Barrierefreiheit und Bedingungen, die Menschen mit Behinderungen und chronischen Erkrankungen darin stärken, ihre Interessen selbstbestimmt zu artikulieren und zu vertreten.
Wir fordern:

  • den Abbau von baulichen, kommunikativen und digitalen Zugangsbarrieren und die Einführung EU-weiter Standards zur Barrierefreiheit
  • eine gleichberechtigte Teilhabe an und Zugänge zu allen EU-Förderprogrammen und EU-Teilhabemöglichkeiten
  • Spezielle EU-Förderprogramme, die die Mehrkosten für Barrierefreiheit decken und die Mitbestimmung von jungen Menschen mit Behinderungen gewährleisten
  • Ausbau einer inklusiven politischen Bildung
     

Gleiche Rechte für Frauen und Mädchen!

Es sind gezielte Maßnahmen zum vollständigen Abbau des geschlechtsspezifischen Lohngefälles, zur Beendigung geschlechtsspezifischer Gewalt und zur Förderung der Geschlechtergleichstellung nötig.
Wir fordern:

  • eine stärkere Sensibilisierung der Gesellschaft zum Thema Geschlechtergerechtigkeit
  • die konsequente Umsetzung der Istanbul-Konvention
  • die Förderung der wirtschaftlichen Gleichstellung von Frauen europaweit
  • dass das Europäische Parlament eine Gleichstellung der Geschlechter und eine Geschlechterparität in allen Bereichen aktiv fordert und fördert
  • die kostenfreie Bereitstellung von Menstruationsprodukten in öffentlichen und öffentlich zugänglichen Einrichtungen
     

Rechte und Räume für queere Jugendliche ausbauen!

Eine offene, tolerante und vielfältige Gesellschaft, in der sich alle jungen Menschen frei entwickeln können, braucht Schutzräume und Rechte für queere Jugendliche. Denn Vielfalt ist eine Bereicherung. Jeglicher Form der Diskriminierung ist entgegenzuwirken.
Wir fordern:

  • einen offenen und ehrlichen Blick und eine Analyse auf queere Lebensrealitäten innerhalb der EU
  • den Abbau von Diskriminierung
  • den Ausbau von Aufklärungsprogrammen
  • die bewusste Auseinandersetzung mit diskriminierender Sprache
  • flächendeckende Beratungsangebote und Anlaufstellen
  • niedrigschwellige Informationsangebote, die jedem jungen Menschen zur Verfügung stehen
     

Junge Geflüchtete sind besonders schutzbedürftig!

Die UN-Kinderrechtskonvention gilt für alle Kinder und Jugendlichen unabhängig von Herkunftsland und Aufenthaltsstatus. Schutz, Förderung und Teilhabe stehen allen Kindern und Jugendlichen zu, egal in welchem Land und zu welchem Zeitpunkt.
Wir fordern:

  • das Recht auf Asyl zu stärken und in keiner Weise weiter auszuhöhlen
  • keine Unterbringung unter haftähnlichen Bedingungen, sondern unter kinder- und jugendgerechten Standards
  • den uneingeschränkten Schutz und eine Entkriminalisierung von Kindern auf der Flucht – auch in Europa
  • die Zusammenführung von Familien zu priorisieren, die durch Flucht und Vertreibung getrennt wurden


Perspektiven schaffen und Armutsrisiken abbauen!

Junge Menschen müssen in Bezug auf ihre Zukunft auf ein soziales und gerechtes Europa vertrauen können.
Wir fordern:

  • eine konsequente Umsetzung der EU-Kindergarantie
  • eine wirksame EU-Jugendgarantie, die qualitativ hochwertige Ausbildungs- und Arbeitsplätze schafft sowie Jugendarbeitslosigkeit und prekärer Beschäftigung entgegenwirkt
  • die europaweite Anerkennung von Bildungsabschlüssen, auch für die Abschlüsse junger Geflüchteter
  • dass Mobilität in Europa fair und gerecht gestaltet wird, d.h. gleiche Arbeit zu gleichem Lohn am gleichen Ort

 

Solidarität

Friedensmacht sein!

Die europäische Einigung hat uns eine Periode des Friedens und Wohlstands geschenkt. Daher steht die EU in einer besonderen Verantwortung, sich für Frieden einzusetzen. Es darf trotz des Kriegs in der Ukraine keinen Abschied von Umbau Europas als ziviles Friedensprojekt geben.
Wir fordern:

  • eine glaubhafte, friedenstiftende und solidarische EU
  • einen entschiedenen Beitrag zur Beendigung des Angriffskrieges in der Ukraine
  • Unterstützung beim Wiederaufbau der Ukraine, unter besonderer Berücksichtigung der Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen
  • eine Aufarbeitung von Kriegsverbrechen in der Ukraine vor dem Internationalen Strafgerichtshof
  • keine weitere Aufrüstungsspirale


Solidarisch handeln!

Wir stehen ein für eine friedfertige, offene, tolerante und vielfältige europäische Gesellschaft, in der sich alle Menschen frei entwickeln und verwirklichen können. Wir sehen mit Sorge, dass rechtspopulistische Bewegungen in weiten Teilen der EU die Abschottung Europas vorantreiben.
Wir fordern:

  • Vielfalt als europäische Ressource zu begreifen und Rassismus, Ausgrenzung und Diskriminierung zu beenden
  • Diskriminierungen entschieden entgegenzutreten sowie Minderheitenschutz und Menschenrechte wirksam durchzusetzen
  • Rahmenbedingungen, die es insbesondere jungen Menschen ermöglichen, für eine pluralistische Gesellschaft einzustehen
  • eine menschliche Migrations- und Integrationspolitik und ein Ende von illegalen Pushbacks sowie des Sterbens an den EU-Außengrenzen


Kinderrechte wirksam umsetzen!

Die EU hat sich in ihrer Charta der Grundrechte klar zur Umsetzung der Kinderrechte bekannt. Schutz, Förderung und Teilhabe stehen allen Kindern und Jugendlichen zu.
Wir fordern:

  • die Umsetzung der Kinderrechte in allen Politikbereichen der EU
  • die Fortführung und Weiterentwicklung der EU-Kinderrechtestrategie
  • die Kinderrechtskonvention in eine umfassende und einheitliche Gesamtstrategie für die europäische Innen- und Außenpolitik umzusetzen

 

Demokratie

Rechtsextremismus entgegenwirken!

Den europaweit zunehmenden nationalistischen und menschenfeindlichen Tendenzen sowie den vielerorts stattfindenden Angriffen auf die Rechtsstaatlichkeit muss ein klares Eintreten für unsere europäischen Werte entgegengesetzt werden.
Wir fordern:

  • alle demokratischen Parteien auf, dass sie eine klare Grenze zum Rechtsextremismus und damit zu Hass, Hetze und Gewalt ziehen
  • gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit, Menschenrechtsverletzungen und Nationalismus aktiv zu bekämpfen
  • eine Stärkung aller Akteur:innen der Menschenrechts- und Demokratiebildung
  • eine starke Sozialpolitik, um einer Spaltung der Gesellschaft entgegenzuwirken


Erinnerungskultur in ganz Europa stärken!

Jugendarbeit und europäischer Jugendaustausch stärken und schützen unsere Demokratie. Die Auseinandersetzung mit der Geschichte und den politischen Strömungen sowie die Stärkung von Erinnerungsarbeit sind ein unerlässlicher Baustein bei der Bildung junger Menschen.
Wir fordern:  

  • Stärkung und Unterstützung des internationalen und europäischen Austauschs sowie einer diversitätsbewussten internationalen Jugendarbeit
  • Förderung der europäischen Erinnerungskultur und eines nicht essentialistischen Kulturverständnisses in der internationalen Jugendarbeit
  • Stärkere und kontinuierliche finanzielle Ausstattung der europäischen Förderprogramme 


Wahlrecht für alle!

Menschen jeden Alters mit und ohne europäischem Pass übernehmen Verantwortung für ihr Leben und unsere Gesellschaft. Sie sollten deshalb auch die politische Realität mitgestalten dürfen.
Wir fordern:

  • ein Wahlrecht ab 14
  • eine Vereinheitlichung des Wahlsystems zu den Europawahlen
  • ein Wahlrecht für alle, die hier dauerhaft leben – auch aus Drittstaaten
  • ein Initiativrecht für das Europäische Parlament

 

Kinder- und jugendgerechtes Europa

Echte Beteiligung schaffen!

Entsprechend der UN-Kinderrechtskonvention müssen Kinder und Jugendliche Akteur:innen in Europa werden, die ihre eigene Zukunft mitgestalten können und ihre Interessen selbst vertreten können.
Wir fordern:

  • die Ausweitung von Partizipationsmöglichkeiten für Kinder und Jugendliche in Bildungsinstitutionen europaweit
  • für die jungen Menschen in Europa auf allen Ebenen eine kinder- und jugendgerechte Form der Beteiligung und wirksame Partizipationsmöglichkeiten
  • eine relevante jugendpolitische Querschnittspolitik
  • Strukturen wie z. B. Selbstorganisationen für die politische Teilhabe zu stärken und verbindliche Zugänge zu schaffen
     

Gegen Stigmatisierung von psychischen Erkrankungen!

Sorgen und Ängste von jungen Menschen haben zugenommen, genauso wie depressive Symptome und psychosomatische Beschwerden. Erneut sind vor allem Kinder und Jugendliche aus sozial schwächeren Verhältnissen oder mit Migrationshintergrund betroffen. Auch Mädchen sind häufiger betroffen als gleichaltrige Jungen.
Wir fordern:

  • „Safe(r) Spaces“ als Schutzräume für Kinder und Jugendliche
  • die Bekämpfung von Kinder- und Jugendarmut als politische Priorität
  • die Stärkung von präventiven Strukturen, die auf Mitbestimmung basieren, um so Selbstwirksamkeitserfahrungen von Kindern und Jugendlichen zu ermöglichen 
  • Zugangsmöglichkeiten für alle zu bedarfsgerechten Hilfsangeboten und medizinischer Versorgung
     

Europa erlebbar machen!

Viele Jugendliche machen über internationale Jugendarbeit und Schüler:innenaustausch schon jetzt persönliche Erfahrungen dazu, was es heißt, Teil eines vereinigten Europas zu sein. Entsprechend den europäischen Werten darf die EU kein Elitenprojekt sein, sondern muss für alle gleichermaßen erlebbar sein.
Wir fordern:

  • dass jeder junge Mensch die Möglichkeit zum internationalen Austausch und zum Sammeln europäischer Erfahrungen erhält
  • die Entbürokratisierung und Vereinfachung der EU-Förderprogramme
  • die finanzielle Stärkung und bedarfsgerechte Ausstattung von internationaler Jugendarbeit und politischer Bildung
  • den Abbau formaler Hürden für europäische Bürgerinitiativen

 

Europa der Zukunft

Digitalisierung jugendgerecht ausbauen!

Digitale Medien sind ein selbstverständlicher Bestandteil im Leben junger Menschen. Zeitgleich müssen demokratische Grundwerte sowie unsere Gesetze auch im digitalen Raum gelten.
Wir fordern:

  • einen modernen und funktionierenden Jugendmedienschutz
  • eine jugendgerechte Gestaltung der Digitalisierung und die Berücksichtigung der Bedürfnisse junger Menschen im Netz
  • digitale Angebote für alle zugänglich zu machen und die Chancen digitaler Beteiligung zu nutzen
  • Empowerment für junge Menschen und Fachkräfte, damit junge Menschen zu kritischen und verantwortungsbewussten Konsumenten und Produzenten von Inhalten werden
  • Zugang zum Internet und seinen digitalen Funktionen für alle
     

Recht auf eine gesunde Umwelt umsetzen!

Umweltverschmutzung und Klimawandel machen nicht an nationalen Grenzen halt. Nachhaltiger Umgang mit Ressourcen ist unerlässlich für eine gute Lebensgrundlage künftiger Generationen.
Wir fordern:

  • die Einhaltung des Klimaabkommens von Paris
  • geschützte Naturräume in Europa zu erhalten
  • den Ausbau erneuerbarer Energien und den Ausstieg aus Kohle und Atomstrom
  • den zügigen Ausbau des europäischen Schienennetzes und die Bereitstellung eines attraktiven Ticketsystems
  • den Ausbau der Nachtzugverbindungen und die Streichung von Kurzstreckenflügen innerhalb der EU
     

Soziale, ökologische, digitale Transformation jetzt!

Wir verstehen Nachhaltigkeit als ein Handlungsprinzip mit ökologischen, ökonomischen und sozialen Aspekten. Alle politischen Entscheidungen und Veränderungen dieser Tage müssen die Weichen für eine ökologische, digitale und sozialgerechte Zukunft stellen!
Wir fordern:

  • einen Wandel zu einem sozial-ökologischen Wirtschaftssystem
  • mehr Beteiligung von Bürger:innen bei Fragen insbesondere der Transformation
  • die Vereinbarkeit des digitalen Wandels mit dem Klimaschutz und die sozial und ökonomisch nachhaltige Umsetzung
  • ein Ausbau der erneuerbaren Energien unter Berücksichtigung von Natur- und Artenschutzbelangen

 

Bildung

Informelle und non-formale Bildung stärken!

Bildung erschöpft sich nicht in erlerntem theoretischem Wissen – praktisches Handeln und informelles Lernen sind elementar für eine zukunftsfähige Bildung. Die außerschulische Bildung braucht die Anerkennung als außergewöhnlicher und wertvoller Bildungsort.
Wir fordern:

  • die Anerkennung von informeller und non-formeller Bildung
  • niedrigschwellige, bürokratiearme Zugänge für Ehrenamtliche zu europäischen Förderprogrammen und den Abbau von Antragshürden  
  • eine automatische gegenseitige Anerkennung von im Ausland erworbenen Abschlüssen, auch aus dem Bereich des non-formalen und informellen Lernens 
  • den Abbau von Hindernissen für Bildungsmobilitäten durch die Erweiterung auf non-formale Bildung
     

Recht auf Bildung gewährleisten!

Bildungsarbeit muss als Prämisse Chancengleichheit voraussetzen. Eine inklusive Jugendarbeit will gleichermaßen alle mit ihren Bildungsangeboten erreichen und qualifizieren.
Wir fordern:

  • gleiche Zugänge für alle Kinder und Jugendlichen zu Bildungsangeboten
  • Jugendarbeit als Ort von partizipativem sozialem Lernen – im Vergleich zur formalen Bildung – weiter zu stärken
  • die Einführung von Bildungsgeld in Form eines zinslosen Darlehens für alle Bildungsbereiche, sodass junge Menschen in ihre eigene Bildung investieren können
  • eine Angleichung und Aufwertung von Bildungsurlaub zum selbstbestimmten lebenslangen Lernen
     

Politische Bildung stärken!

Die politische Dimension von Bildung und damit das Erlernen von politischer Teilhabe sind von herausragender Bedeutung für die Zukunftsfähigkeit Europas. Politische Bildung ist als Übungsraum für politisches Handeln vorrangig zivilgesellschaftlichen Organisationen zuzuordnen.
Wir fordern:

  • politische Bildung vorrangig in zivilgesellschaftlichen unabhängigen Organisationen
  • Demokratiebildung als festen Bestandteil der formalen Bildung in Schule und Ausbildung 
  • eine politische Transparenz, in der sich die Politik der Jugend erklärt und verpflichtet fühlt, ihre Entscheidungen entsprechend zu begründen
Patrick Wolf
er/ihm
Büroleiter und Queer-Beauftragter