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22.10.2023

Queere Jugendarbeit – Eine Bereicherung für alle

BJR beschließt jugendpolitische Forderungen zu sexueller Orientierung, geschlechtlicher Identität und amouröser Vielfalt

LSBTIQA*(1)-Personen sind häufig und in nahezu allen Lebensbereichen von Diskriminierung und Gewalterfahrungen betroffen. Dies gaben 94 % der über 2.000 befragten jungen Menschen zwischen 14 bis 27 Jahren im Forschungsprojekt „How are you?" an, das vom Institut für Diversity- & Antidiskriminierungsforschung (IDA) und der Hochschule Fresenius im Auftrag des Bayerischen Jugendrings (BJR) durchgeführt wurde. Die Onlinebefragung lief von April bis Juni 2023. Da die Datenlage zur Lebenssituation sowie zu Diskriminierungs- und Gewalterfahrungen von queeren (2) Jugendlichen in Bayern nach Überzeugung des BJR unzureichend ist, wurden die Zufriedenheit, Lebenserfahrungen und Ressourcen sowie spezifischen Bedarfe abgefragt.

Bei der 163. BJR-Vollversammlung beschäftigten sich die Delegierten mit dem Schwerpunktthema „Queere Jugendarbeit“. Nain Heiligers vom IDA stellte dazu erste Ergebnisse der Studie vor: Von den 1.710 Personen, die Angaben zum Ort der Diskriminierung machten, hat jede zweite Person die Kategorie „in der Schule“ und „in der Öffentlichkeit“ genannt. Auch die Orte „im Internet“, „in der Herkunftsfamilie“ sowie „im weiteren Familienkreis“ wurden von einem Großteil der Teilnehmenden angegeben. Die Ergebnisse der Studie verdeutlichten, wie hoch das Ausmaß von Diskriminierung sei, das LSBTIQA* Jugendliche in Bayern erleben. „Diskriminierungs- und Gewalterfahrungen können sich negativ auf Gesundheit und Wohlbefinden der queeren Personen auswirken. Gleichzeitig macht dies deutlich, welche Bedeutung Regenbogenkompetenz für einen diskriminierungssensiblen Umgang in der Sozialen Arbeit, in Beratungsstellen und im Gesundheits- und Bildungswesen hat“, so Heiligers.

Die inhaltliche Auseinandersetzung mit den Ergebnissen der Studie und die Diskussion zu unterschiedlichen Facetten zeige, dass queere Jugendarbeit als Arbeitsfeld mit zunehmender Aufmerksamkeit und von zentraler Bedeutung sei, unterstreicht der BJR-Queer-Beauftragte Patrick Wolf. „Deswegen braucht es dringend mehr Ressourcen für eine Koordinationsstelle queerer Jugendarbeit in Bayern, auch das zeigt die Studie deutlich. Junge Menschen müssen die Möglichkeit haben, sich selbst zu entfalten und in einer unterstützenden Umgebung aufzuwachsen – unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität.“ Der BJR setzt sich seit Langem aktiv für Inklusion und Gleichberechtigung ein, um Diskriminierung zu bekämpfen und das Wohlbefinden queerer Jugendlicher zu fördern.

Queerpolitische Forderungen 
Die 163. Vollversammlung des BJR tagte vom 20. bis 22. Oktober in Nürnberg. Sie ist das höchste beschlussfassende Gremium der Jugendarbeit in Bayern und entscheidet über die landesweiten Leitlinien, Ziele und Aufgaben des BJR sowie über grundlegende Fragen der Gesamtorganisation. Zum Schwerpunktthema Queere Jugendarbeit haben die Delegierten u.a. folgende Forderungen beschlossen:

  • Ergänzung der bayerischen Verfassung um das Merkmal der sexuellen und geschlechtlichen Identität
  • Finanzielle Förderung von landesweiten queeren Selbstorganisationen und Interessensvertretungen
  • Durchführung einer Wirkungsforschung („Baseline“) zum Stand der bisherigen Maßnahmen („Bayerische Regenbogen-Studie“)
  • Ausbau der Förderung der Bildungs- und Antidiskriminierungsarbeit in bayerischen Schulen
  • Empfehlungen zum geschlechtersensiblen Sprachgebrauch in Verwaltungen, Behörden, schulformübergreifend in Lehrmaterialien sowie im Schriftverkehr und amtlichen Dokumenten
  • Landesweite Förderung und Ausbau der Empowerment- und Unterstützungsstrukturen für queere Kinder und Jugendliche, z. B. durch Einrichtung eines Fachprogramms beim BJR zur finanziellen Förderung von Maßnahmen und Angeboten in Jugendverbänden, Jugendringen und Jugendgruppen sowie Einrichtungen der Jugendarbeit
  • Veranstaltung eines jährlichen Regenbogenempfangs der Bayerischen Staatsregierung

Ein Fachtag Queere Jugendarbeit, der am 11. November in München stattfindet und sich an Hauptberufliche in der offenen Jugendarbeit, an Lehrkräfte und an Ehrenamtliche aus der Jugendarbeit richtet, wird sich intensiv mit den Ergebnissen der „How-are-you“-Studie auseinandersetzen und Handlungsstrategien für die Jugendarbeit aufzeigen. Interessierte Journalist:innen sind herzlich willkommen, um Anmeldung wird gebeten.

Hintergründe
___ Beschluss zum Nachlesen www.bjr.de/ueber-uns/gremien/beschluesse/queere-jugendarbeit
___ Jugendpolitische Forderungen und Infos zu Queere Jugendarbeit in Bayern

Kontakt
Patrick Wolf
Queer-Beauftragter
tel 089 / 51458-19 __ mobil 0151 / 276277-19 __ Wolf-Patrick(at)bjr.de

(1) Die Abkürzung wird verwendet, um die Vielfalt sexueller Orientierungen und unterschiedlicher Geschlechtsidentitäten zu repräsentieren. Es gibt jedoch auch viele andere Variationen und Abkürzungen, gemeinsam zielen sie auf Akzeptanz und Respekt der individuellen Identität und Selbstidentifikation als wichtige Prinzipien ab. Konkret steht die Abkürzung LSBTIQA* für:
L - Lesbisch
S - Schwul
B - Bisexuell
T - Transgender
I - Intersexuell
Q - Queer
A – Asexuell
* Ein Platzhalter, um weitere Identitäten einzuschließen
(2) Mit queer sind alle nicht-heteronormativen, endo- und cisgeschlechtlichen Lebensweisen und Identitäten gemeint. Queere Jugendarbeit wird als Terminus für Angebote und Projekte verwendet, die sich speziell an junge Menschen richten, die sich als LSBTIQA* positionieren.